Traveler - das Finale
hörte die unterschiedlichsten Sprachen und sah in fremde Gesichter, während die Leute an ihren Drinks nippten und auf den Beginn der Veranstaltung warteten. Simon Lumbroso hatte ihnen zwei Plätze frei gehalten.
»Buona sera. Es ist mir ein Vergnügen, euch beide zu sehen. Maya, ich hatte schon befürchtet, meine Nachricht wäre nicht angekommen.«
»Wir haben uns verlaufen«, sagte Maya.
»Ich dachte, einem Harlequin kann so etwas nicht passieren.«
»Winston hat uns am Platz abgesetzt«, erklärte Maya, »aber dann haben wir die Straße nicht gefunden.«
»Deswegen habe ich den Fischmann gefragt«, sagte Alice.
»Ah, ich verstehe. Dann habt ihr euch nur ein bisschen verlaufen.« Simon zwinkerte Alice zu. »Ihr habt Sparrows Rat befolgt und euch auf den Zufall verlassen.«
Während Simon sich mit Alice unterhielt, beobachtete Maya die Menge, die sich versammelt hatte, um den Traveler sprechen zu hören. Jeder der Anwesenden gehörte einer von zwei Kategorien an. Jugger und seine Freunde waren erschienen, zusammen mit ein paar anderen Cliquen, die außerhalb des Rasters lebten und folglich natürliche Verbündete des Travelers waren. Obwohl ihre politischen Ansichten auseinandergingen, kleideten sich alle Mitglieder dieser Kategorie gleich – Jeans, Stiefel, abgewetzte Jacke. Eine seltsame Mischung aus Hightech und Lowtech kam hier zusammen; sie benutzten die neuesten Handys und Computer, weigerten sich jedoch, mit Kreditkarte zu zahlen, und bauten ihr Gemüse lieber selbst auf dem Dachgarten an.
Im Restaurant gab es noch eine zweite Gruppe. Maya kannte diese Gesichter nicht. Anders als die Free Runner sahen diese neuen Widerständler wie ganz normale Bürger aus, die ihre Miete zahlten, Kinder großzogen und einer geregelten Arbeit nachgingen. Anscheinend fühlten sie sich nicht ganz wohl dabei, neben heruntergekommen aussehenden Zwanzigjährigen auf alten Klappstühlen zu sitzen.
Der Restaurantbesitzer war ein kleiner Mann mit weißem Bart. Er war Koch und Kellner zugleich und eilte hin und her, um den Leuten Smoothies und Kräutertee zu servieren. Maya fragte sich, ob Außenstehende sich in die Menge gemischt hatten, aber der Zwerg kontrollierte alle Gäste. Er trat an jeden einzelnen Tisch und sprach mit leiser Stimme.
»Dies ist die Monatsversammlung der Südlondoner Kompostgesellschaft. Sind Sie Mitglied?«
»Wir sind Gründungsmitglieder «, sagte Simon mit geschwellter Brust. »Ich bin Dr. Lumbroso, und diese beiden Damen begleiten mich.«
Als der Zwerg mit allen gesprochen hatte, schloss er die Vordertür ab und zog sich in die Küche zurück. Eine Minute später kam Linden in den Raum geschlendert. Der reinste Harlequin, dachte Maya. Der große Franzose sah entspannt, aber wachsam aus. Obwohl er keine Waffe bei sich trug, strahlte er etwas aus, eine gewisse Vermessenheit, die alle im Raum einschüchterte.
»C’est bien«, sagte er, und Gabriel erschien hinter ihm. Der Traveler wirkte müde und gebrechlich, so als habe sein Körper zu lange allein im versteckten Zimmer gelegen. Maya wollte aufstehen, ihr Schwert ziehen und Gabriel von hier wegbringen. Vielleicht waren sie auf ihn angewiesen, aber sie sahen die Gefahr nicht.
Gabriel drehte eine Runde durchs Restaurant und begrüßte jeden Anwesenden persönlich. Eindringlich und mit der Kraft des Travelers, die ihm erlaubte, nur Bruchteile von Sekunden andauernde Veränderungen in der Mimik einer Person zu sehen, studierte er jedes einzelne Gesicht. Maya bezweifelte, dass irgendjemand im Raum von dieser Fähigkeit wusste, dennoch schienen die Leute zu verstehen, dass Gabriel sie in ihrem Wesen erkannte und ihre Ängste und Zweifel verstand.
Simon beugte sich über den Tisch. »Haben Sie die Veränderung bemerkt?«, flüsterte er. »Sobald der Traveler hereinkommt, wird aus dem Treffen eine Zusammenkunft .«
Maya nickte, während sie den Vorgang beobachtete. Sogar Eric Vinsky, der Computerexperte, der sich Nachtfalke nannte, richtete sich in seinem Rollstuhl ein wenig gerader auf, als Gabriel vor ihm stand. Endlich kam der Traveler auch an ihren
Tisch. Er legte Alice eine Hand auf die Schulter und nickte Simon zu.
»Ist alles in Ordnung?«
»Wir haben uns verlaufen«, sagte Alice.
»Das ist nicht immer schlecht, Alice. Wer sich verläuft, probiert etwas Neues aus.«
Er wandte sich ab, und das war’s. Kein Wort für Maya. Nicht einmal ein Lächeln. Ich bekomme ein Kind von dir , hätte sie am liebsten gesagt. Allein die Vorstellung
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