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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Haupteingang, dem gegenüber die Bibliothek lag. Wie alle anderen öffentlichen Gebäude war auch die Bibliothek im neoklassizistischen Stil erbaut worden. Sie sah aus wie ein griechischer Tempel nach einem Bombenangriff. Einige der Marmorsäulen waren zersprengt, andere lehnten aneinander wie abgestorbene Bäume in einem verwilderten Wald. Von der großen Statue, die einst den Fuß der Vortreppe bewacht hatte, war nichts geblieben als ein Paar Sandalen mit Füßen und der Saum einer Steintoga.
    »Wir müssen die Straße überqueren«, erklärte Pickering. »Vielleicht werden wir gesehen.«

    »Gehen Sie einfach los, ich kümmere mich um alles andere.«
    Pickering schnappte drei Mal nach Luft wie jemand, der abtauchen will, dann flitzte er über die Straße. Maya ging betont langsam hinterher, wie um ihre Furchtlosigkeit zu demonstrieren.
    Sie entdeckte Pickering hinter einer der Marmorsäulen, und gemeinsam betraten sie die Eingangshalle der Bibliothek. Überall lagen riesige Brocken aus Stein und Beton herum, der Kronleuchter war aus seiner Halterung gerissen worden. Fußböden und Treppenstufen waren von Büchern bedeckt. Maya hob eins auf und blätterte darin herum; es war in einer ihr unbekannten Sprache abgefasst und mit filigranen Abbildungen von Pflanzen versehen, die an Farne oder Palmen erinnerten.
    »Wir gehen in den dritten Stock«, sagte Pickering. Maya folgte ihm auf die Treppe. Sie vermied es, auf die zerfetzten, fleckigen Bücher zu treten, nur manchmal landete ihr Fuß unabsichtlich auf einer ausgerissenen Seite oder schob einen Band beiseite. Auf der Treppe war es dunkel, und die erdrückende Finsternis schien auf ihren Schultern zu lasten. Als sie den ersten Treppenabsatz erreichten, fühlte Maya sich schwer und träge.
    Im dritten Stock waren die Bücher an der Wand aufgestapelt, so als habe jemand versucht, Ordnung ins Chaos zu bringen. Pickering führte sie durch einen Flur, bis er vor einem Torbogen stehen blieb und sich flink umdrehte. »Da sind wir«, verkündete er. »Der Lesesaal.«
    Sie standen vor dem Eingang des großen Saales, der fast das gesamte Obergeschoss der Bibliothek einnahm. Der Lesesaal hatte eine Deckenhöhe von zwölf Metern und einen grünweiß gekachelten Marmorboden. Der Raum war mit langen Holztischen und Stühlen möbliert. Die Bücherregale zogen sich auf zwei Ebenen dahin – eine Zeile im Erdgeschoss, eine
zweite mit einer kleinen, den Saal umlaufenden Galerie darüber. Ein paar Gasleitungen waren unzerstört geblieben, und einige der Schreibtischlampen brannten noch. Die zischenden Flämmchen verbreiteten einen öligen Gestank.
    Pickering hatte die Schultern eingezogen und den Mund fest zusammengekniffen. Maya fragte sich, ob ihre Furchtlosigkeit ihn nervös machte. Sie folgte ihrem Führer zwischen den Tischen hindurch bis in die Mitte des Saales, wo der Fußboden plötzlich aufhörte. Anscheinend hatte es eine Explosion gegeben und dann einen Brand, der einen Teil der Bibliothek zum Einsturz gebracht hatte.
    In der Mitte des Lochs war ein dreistöckiges Gebäudefragment stehen geblieben, eine Säule aus Ziegeln und Steinen und Beton, die durch eine ringförmige, etwa sieben Meter breite Lücke vom Rest der Bibliothek getrennt war. Oben auf der Säule war ein Teil des Lesesaals erhalten geblieben – ein einsamer Tisch auf Kacheln mit Schachbrettmuster, dahinter eine verrammelte Tür, die wie der Eingang zu einer Gefängniszelle aussah.
    »Da. Sehen Sie?« Pickering zeigte auf die Tür. »Das ist die Tür zum Kartenraum.«
    »Wie kommen wir da rüber? Können wir vom Erdgeschoss aus raufklettern?«
    »Nein, das habe ich schon versucht. Ich dachte, vielleicht haben Sie eine Idee?«
    Maya lief hin und her und überlegte, wie der Abgrund zwischen dem Lesesaal und der Säule zu überwinden wäre. Ein Seil wäre nur von Nutzen, wenn sie es irgendwie an der Saaldecke befestigen könnte. Sie könnten eine Leiter aus Holzresten und alten Nägeln bauen, aber das würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die Aufmerksamkeit der Patrouillen auf sie ziehen. Schweigend wandte sie sich von Pickering ab und stieg auf die Galerie hinauf. Sie packte das Metallgeländer und fing an, es vor und zurück zu reißen. Einzelne
Bücher rutschten vom Steg, flatterten mit weißen Seiten durch die Luft und landeten auf dem Saalboden.
    Pickering huschte die Treppe herauf und stellte sich neben Maya. »Was tun Sie da?«
    »Ziehen Sie am Geländer«, sagte Maya, »vielleicht können wir es

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