Traveler - das Finale
der Vergangenheit hatte die Vorahnung ihn verängstigt und überwältigt. Aber jetzt saß er in diesem Straßencafé und war fähig, zu beobachten und zu warten und der Dinge zu harren. Das Licht in seinem Innern sammelte seine Kraft wie eine Welle, die sich unter der ruhigen Meeresoberfläche aufbaut.
Der Cafébesitzer brachte den Kaffee auf einem Blechtablett heraus. Gabriel leerte hastig sein Glas und studierte den Bodensatz aus schwarzen Körnchen. Eine Fliege landete auf seinem Handgelenk, und er verscheuchte sie. Weitere Fliegen kamen und umkreisten seine Stiefel, während andere sich auf den Tischen des Cafés niederließen, kleinen, silbrig schimmernden Inseln aus Edelstahl.
Gabriel drehte leicht den Kopf und schaute die Straße hinunter, und dann öffnete sich die Welt seinem Blick. Innerhalb eines einzigen Herzschlags zog sein Verstand sich zurück und erlaubte ihm, die Stadt völlig unvoreingenommen zu betrachten. Alles vor seinen Augen – der Himmel, die flachen Wohngebäude, die dürren Feigenbäume – bildete eine Einheit. Er sah Staubpartikel in der Luft tanzen, roch den Abfall und das Brot im Ofen, hörte eine Sängerin im Radio.
Die Welt umschlang ihn in komplexer Mannigfaltigkeit, und er studierte sie wie eine auf eine Wand projizierte Fotografie. Die Gesichter ringsum sah er mit derselben Klarheit – Simon, Linden, die anderen Gäste im Café, eine Frau, die einen Vogel in einem silbernen Käfig vorbeitrug, eine Gruppe von Kindern, die einen geflickten Fußball gegen eine Mauer kickten. Wenn sein Geist auf diese Weise befreit war, konnte er über der Straße schweben wie ein Engel, der auf die gefallenen Seelen hinunterschaut. Die Kinder strahlten Glück und Freude aus, aber die Erwachsenen schlurften mit müden, wütenden, schmerzverzerrten Gesichtern vorbei.
»Ich glaube, den Wagen da habe ich schon am Flughafen gesehen«, meinte Linden plötzlich. »Vielleicht werden wir verfolgt.«
Gabriels Vision schmolz dahin, und die Welt war wieder banal – inklusive eines verwilderten Hundes, der ihn böse anstarrte, und einer schwarzen, am Ende der Straße geparkten Limousine.
»Das ist ein gewöhnlicher Renault«, sagte Simon. »Davon gibt es Tausende in der Stadt. Alte Renaults kommen zum Sterben nach Kairo.«
»Dieser hat Dreck am linken Scheinwerfer.«
»Und Sie sind sicher, ihn zuvor gesehen zu haben?«
»Möglich.«
»Möglich? Oder harlequinsche follia ?«
»Auch der Paranoide hat Feinde …«
Der Schlagabtausch endete abrupt, als ein verbeultes Taxi um die Ecke bog und direkt vor dem Café hielt. Die Tür sprang auf, und ein bärtiger Koptenpriester stieg aus. Er lüpfte den Saum seiner Tracht mit beiden Händen und näherte sich dem Tisch. Der Priester trug blaue Joggingschuhe, deren Außenseiten mit Blitzen verziert waren.
»Dr. Lumbroso?«
»Ja?«
»Ich bin Pater Youssef von der Kirche des heiligen Bartholomäus. Mein Cousin Hossam sagte mir, Sie suchen mich?«
Simon erhob sich und schüttelte dem Priester die Hand. »Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Pater Youssef. Wir sind erst heute Morgen in Kairo angekommen. Diese beiden Gentlemen sind Freunde von mir.«
Sie zogen ihre Stühle zu einem Kreis um den kleinen Tisch zusammen, und Pater Youssef bestellte ein Glas Tee. Sämtliche Fenster in der Straße waren entweder von Vorhängen oder Fensterläden verdunkelt. In der Totenstadt gab es keine Überwachungskameras, trotzdem hatte Gabriel das Gefühl,
beobachtet zu werden. Als der schwarze Renault wendete und um die Ecke verschwand, entspannte Linden sich ein Stück weit und lehnte sich zurück.
Der Priester rührte Zucker in seinen Tee und benutzte den Teelöffel dann, um die Minzezweige am Glasrand auszudrücken. »Woher kennen Sie Hossam?«
»Ich hatte geschäftlich wegen einiger Antiquitäten mit ihm zu tun«, erklärte Lumbroso. »Das Auge Ihres Cousins ist untrüglich, wenn es um Original oder Fälschung geht.«
»Hossam sagt, Sie seien ein Mann, der seine Versprechen hält. So etwas ist in dieser Stadt selten zu finden.«
»Ich weiß, dass die Kopten verfolgt werden.«
»Unsere Mitglieder, besonders die jungen Männer, werden grundlos verhaftet und geschlagen. Unsere Kirche hat keinen elektrischen Strom, und bei Regen tropft das Wasser durchs Dach.«
Lumbroso legte sich eine Hand an die Brust. In der Innentasche seines Sakkos steckte eine Brieftasche voller ägyptischer Pfundnoten. »Wir werden jeden, der genaue Informationen liefert,
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