Traveler - das Finale
verstörenden Bildern. Mrs. Brewster und der Vorstand der Evergreen Foundation hielten sich für abgebrüht, aber im Vergleich zu den Führern dieser Welt standen sie wie kleine Kinder da. Die im Visionär gezeigten Foltermethoden waren nicht weniger grausam als damals bei den Mayas, wo der Priester den Brustkorb des Gefangenen öffnete,
um das noch schlagende Herz herauszureißen. Und danach stellten sie die Paare auf die Bühne, um sie zu verheiraten. Michael versuchte, einen Zusammenhang zwischen den Showelementen zu erkennen, und schließlich ging ihm ein Licht auf. Es liegt in unserer Macht, euch zu vernichten oder selig zu machen – so lautete die Botschaft der Hirten an ihr Publikum.
Aus der Dunkelheit drangen Grunzen und Schnarchen. Das einzige Licht in dem höhlenartigen Saal kam von einer kleinen Öllampe, die über dem Steintrog brannte. Michaels Arme und Beine waren schwer, und er beschloss, vor seiner Flucht für eine Weile auszuruhen.
Er kuschelte sich ins Stroh und schlief ein. Irgendwann im Laufe der Nacht hörte er das Zischen und Quietschen eines dampfgetriebenen Kriechers, der den Hof befuhr. Männer unterhielten sich leise, dann schlurften Stiefel über den Steinboden. Plötzlich brach eine Schmerzwelle über Michael herein, die von dem roten Halsband auszugehen schien. Der Schmerz breitete sich über seinen gesamten Körper aus und war so unerträglich, dass er Michael den Atem verschlug.
Der Verschluss des Kragens war zerstört worden, als Verga ihn dem toten Erntehelfer abgenommen hatte, und Michael konnte ihn sich vom Hals reißen. Die Leute schrien und wälzten sich im Stroh, während Männer mit Lampen den Saal durchsuchten.
Michael nahm sein Messer und rannte zum Ausgang. Raus hier, dachte er. Versteck dich im Dunkeln. Sie werden dich umbringen.
ACHT
T raveler waren in der Lage, aus ihrem Körper auszubrechen und in fremde Sphären hinüberzuwechseln. Alle anderen Menschen waren auf einen Zugangspunkt angewiesen, auf einen jener Orte, deren Lage in der Antike den Menschen noch bekannt war. Da Maya nicht zurückgekehrt war, würde Gabriel sie auf anderem Wege retten müssen. Simon hatte mehrere Wochen in der British Library zugebracht und griechische und lateinische Schriften studiert, in denen von Orakeln und anderen Heiligtümern die Rede war. Die meisten der erwähnten Stätten lagen in Ägypten, deswegen bat Gabriel Linden, eine Reise nach Kairo zu organisieren.
Jugger und Roland bekamen den Pass, mit dem Gabriel nach Großbritannien eingereist war, dazu ein paar Haare, die zu der DNA-Probe passten, die die Tabula in Gabriels Haus in Los Angeles genommen hatten. Die beiden Free Runner bestiegen die Fähre nach Calais und reisten anschließend per Bus und Bahn durch Frankreich. Sie besuchten Internetcafés und benutzten verschiedene Handys, um den Eindruck zu erwecken, Gabriel sei auf dem Weg nach Osteuropa.
Während die Free Runner in Hotels und Pensionen eine falsche Spur legten, bereitete Linden geklonte Pässe für Gabriel und Simon vor. Nachdem verschiedene Staaten angefangen hatten, mit RFID-Chips ausgestattete Pässe auszugeben, brauchten die Fälscher nicht lange, um eine Möglichkeit zu finden, die gespeicherten Informationen mit so genannten Skimmern auszulesen. In einem Korridor oder einem Fahrstuhl versteckte Skimmer konnten sämtliche in Jacken- und
Handtaschen mitgeführte Pässe auslesen. Linden verplemperte jedoch keine Zeit mit aufwändiger Technik, sondern bestach einfach einen Hotelangestellten, der die Pässe von zwei ausländischen Touristen in ein legal erworbenes Lesegerät einscannte.
Sobald Linden im Besitz der Daten war, stellte er Klonpässe mit kopierten Chips her. Die Daten konnten so manipuliert werden, dass das gespeicherte Foto und die biometrischen Angaben dem Passbesitzer entsprachen. Wollte man in ein Entwicklungsland einreisen, musste die Übereinstimmung nicht hundertprozentig sein; die meisten Grenzbeamten ignorierten ihr Bauchgefühl und winkten den Passagier einfach durch, wenn das Kontrollgerät anzeigte, alles sei korrekt.
»Wer bin ich denn nun?«, fragte Gabriel Linden.
»Ein junger Mann namens Brian Nelson, der in Denver wohnt.«
»Und ich?«, fragte Simon Lumbroso.
»Sie sind Dr. Mario Festa – ein Psychologe aus Rom.«
Grinsend lehnte Simon sich zurück. »Sehr gut. Das gefällt mir. Und der arme Dr. Festa ist natürlich der festen Überzeugung, seine Regierung sorge für seine Sicherheit.«
Wenige Tage später flogen
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