Traveler - Roman
ebenfalls überwacht werden. Alle werden überwacht werden. Das System ist überaus demokratisch. Und man kann sich ihm nicht entziehen, Thomas. Es gibt keinen Weg, es zu verhindern. Es wäre vollkommen sinnlos, sich für einen Harlequin zu opfern.«
»Sie können gern auf Ihrer Meinung beharren, aber ich entscheide selbst, was meinem Leben Sinn gibt.«
»Sie werden mir helfen, Thomas. Hier wird nicht verhandelt. Hier werden keine Kompromisse gemacht. Sie müssen sich der Realität stellen.«
Freundlich schüttelte Thomas den Kopf. »Nein, mein Freund. Sie sind derjenige, der den Kontakt zur Wirklichkeit verloren hat. Sie schauen mich an und sehen einen übergewichtigen Crow-Indianer mit einem kaputten Müllschlucker und ohne Geld. Und Sie denken: ›Ah, er ist bloß ein ganz gewöhnlicher Mann.‹ Ich aber sage Ihnen, dass sogar gewöhnliche Männer und Frauen durchschauen werden, was Sie planen.
Und wir werden uns erheben, die Tür aufreißen und Ihren elektronischen Käfig verlassen.«
Thomas stand auf, stieg von der Veranda und ging auf den Durchgang zu. Boone fuhr auf der Bank herum. Er hielt die Pistole mit beiden Händen, zielte und durchschoss das rechte Knie seines Feindes. Thomas brach zusammen, rollte auf den Rücken und blieb reglos liegen.
Mit der Waffe in der Hand näherte sich Boone dem Mann. Thomas war noch bei Bewusstsein, aber er atmete schnell. Sein Bein war unterhalb des Knies fast abgetrennt, und dunkelrotes Blut pulsierte aus der zerfetzten Arterie. Während Thomas in einen Schockzustand hinüberglitt, blickte er zu Boone auf. Er sprach ganz langsam. »Ich habe keine Angst vor Ihnen …«
Boone wurde von Zorn überwältigt. Er richtete seine Pistole auf Thomas’ Stirn, so als wollte er alle seine Gedanken und Erinnerungen vernichten. Dann zog er den Abzug.
Der zweite Schuss war unerträglich laut. Seine Schallwellen schienen sich über die ganze Welt auszudehnen.
EINUNDDREISSIG
M ichael war in einer fensterlosen Vierzimmersuite untergebracht. Hin und wieder hörte er gedämpften Lärm und das Geräusch von Wasserleitungen, deswegen nahm er an, dass sich noch andere Personen in dem Gebäude aufhielten. Es gab ein Badezimmer, ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und einen Vorraum mit zwei schweigsamen Männern in navyblauen Blazern, die ihn vom Verlassen der Suite abhielten. Er hatte keine Ahnung, ob er sich in Amerika oder im Ausland befand. In keinem der Zimmer hing eine Uhr, sodass er nie wusste, ob gerade Tag oder Nacht war.
Die einzige Person, die mit ihm sprach, war Lawrence Takawa, ein junger Amerikaner japanischer Abstammung, der immer ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte trug. Als Michael aus seinem Drogenrausch aufwachte, saß Lawrence an seinem Bett. Ein paar Minuten später kam ein Arzt herein, der kurz Michaels physische Verfassung untersuchte. Er flüsterte Lawrence etwas zu und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
Michael hatte an jenem ersten Tag angefangen, Fragen zu stellen. Wo bin ich? Wozu halten Sie mich hier fest? Lawrence lächelte freundlich und gab immer die gleichen Antworten. Dieser Ort ist sicher. Wir sind Ihre neuen Freunde. Zur Zeit suchen wir nach Gabriel, damit wir auch ihn in Sicherheit bringen können.
Michael wusste, dass er ein Gefangener war und sie die Feinde waren. Trotzdem verwandten Lawrence und die beiden Wachmänner viel Zeit darauf sicherzustellen, dass er sich wohl
fühlte. Im Wohnzimmer standen ein teurer Fernseher und ein Regal mit DVDs. In dem Gebäude gab es Köche, die rund um die Uhr arbeiteten und für ihn zubereiteten, was immer er essen wollte. Als Michael zum ersten Mal das Bett verließ, führte Lawrence ihn in einen begehbaren Kleiderschrank und zeigte ihm Kleidung, Schuhe und Accessoires im Wert von Tausenden von Dollars. Die Pullover waren aus feinstem Kaschmir, die Hemden aus Seide oder ägyptischer Baumwolle trugen sein Monogramm diskret auf der Brusttasche. Es gab Schuhe zum Anzug, Sportschuhe und Slipper, alle in Michaels Größe.
Er bat um Trainingsgeräte. Im Wohnzimmer tauchten daraufhin ein Laufband und Hanteln auf. Wenn er ein Buch oder eine bestimmte Zeitschrift lesen wollte, gab er seine Bitte an Lawrence weiter; wenige Stunden später bekam er, worum er gebeten hatte. Das Essen schmeckte ausgezeichnet, und er konnte von einer Karte mit französischen und einheimischen Weinen wählen. Lawrence Takawa versicherte ihm, dass er irgendwann auch Frauen würde haben können. Michael besaß alles, was er sich nur
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