Traveler - Roman
beschafften wir uns falsche Geburtsurkunden und zogen nach Austin, Texas. Als ich siebzehn wurde, beschloss Michael, dass wir nach Los Angeles gehen und einen Neuanfang wagen sollten.«
»Dann hat die Tabula Sie aufgespürt, und nun sind Sie hier.«
»Ja«, sagte Gabriel sanft. »Jetzt bin ich hier.«
DREISSIG
B oone konnte Los Angeles nicht leiden. Auf der Oberfläche schien es ganz normal zu sein, aber in Wahrheit hatte es anarchistische Tendenzen. Er erinnerte sich an einen Videofilm über einen Aufstand in den Armenvierteln. Rauch, der zum sonnigen Himmel aufsteigt. Eine Palme, die in Flammen aufgeht. In Los Angeles gab es zahllose Straßengangs, die die meiste Zeit damit beschäftigt waren, sich gegenseitig umzubringen. Das war noch hinnehmbar. Ein Anführer mit Visionen – wie ein Traveler – wäre jedoch in der Lage, den Drogenkonsum einzudämmen und die Wut in den Ghettos nach außen zu lenken.
Er nahm den Freeway Richtung Süden bis Hermosa Beach, stellte seinen Wagen auf einem öffentlichen Parkplatz ab und lief zur Sea Breeze Lane. Gegenüber dem Haus des Indianers stand ein Wartungswagen der Elektrizitätswerke. Boone klopfte an die Fahrzeugtür, worauf Prichett die Blende hinter dem Fenster anhob. Er lächelte und nickte dienstbeflissen – schön, dass Sie da sind. Boone öffnete die Tür und kletterte hinein.
Die drei Tabula-Söldner saßen im hinteren Teil des Wagens auf niedrigen Strandstühlen. Hector Sanchez war ein ehemaliger mexikanischer Freiheitskämpfer, der in einen Bestechungsskandal verwickelt gewesen war, Ron Olson ein wegen Vergewaltigung angeklagter Exmilitärpolizist.
Dennis Prichett, der Jüngste in der Gruppe, hatte kurzes, braunes Haar, ein rundliches Gesicht und höfliche Umgangsformen. Er wirkte wie ein junger Missionar. Prichett ging
dreimal die Woche in die Kirche und fluchte nie. Während der letzten Jahre hatte die Bruderschaft begonnen, strenggläubige Anhänger verschiedener Religionen anzuwerben. Obwohl sie wie Söldner bezahlt wurden, hatten sie sich der Bruderschaft aus moralischen Gründen angeschlossen. Ihrer Ansicht nach waren die Traveler falsche Propheten, die den wahren Glauben herausforderten. Die neuen Angestellten waren angeblich noch zuverlässiger und skrupelloser als gewöhnliche Söldner, aber Boone traute ihnen nicht. Für Gier und Angst hatte er mehr Verständnis als für religiösen Eifer.
»Wo ist unser Verdächtiger?«, fragte er.
»Auf der Gartenveranda«, antwortete Prichett. »Hier. Sehen Sie selbst.«
Er erhob sich von seinem Sitz, und Boone ließ sich vor dem Monitor nieder. Zugang zu technischen Hilfsmitteln zu haben, mit denen man durch die Wände anderer Leute sehen kann, gehörte zu den erfreulicheren Aspekten seiner Arbeit. Für die Operation in Los Angeles war der Lieferwagen mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet worden. Die Spezialkamera lieferte Schwarzweißbilder jeder beliebigen Oberfläche, die Wärme ausstrahlte oder reflektierte. In der Garage war ein weißer Fleck zu erkennen: der Durchlauferhitzer. Ein anderer Fleck in der Küche: vermutlich eine Kaffeemaschine. Ein drittes Objekt – ein Mensch – saß hinter dem Haus auf der Veranda.
Das Überwachungsteam hatte das Gebäude seit drei Tagen im Blick, hörte alle Telefongespräche ab und las mit Hilfe des Carnivore-Programms die E-Mails mit. »Hat er irgendwelche Nachrichten empfangen oder gesendet?«, erkundigte sich Boone.
»Heute Morgen bekam er zwei Anrufe wegen der Schwitzkammer am Wochenende«, antwortete Sanchez.
Olson schaute auf einen Computerbildschirm. »Im E-Mail-Postfach nichts als Spam.«
»Gut«, sagte Boone. »Los geht’s. Hat jeder seine Marke?«
Die drei Männer nickten. Bei ihrer Ankunft in Los Angeles hatten sie gefälschte FBI-Dienstmarken erhalten.
»Okay. Hector und Ron, ihr geht durch die Vordertür. Falls wir auf Widerstand stoßen, haben wir von der Bruderschaft die Erlaubnis, die Akte des Mannes endgültig zu schließen. Dennis, Sie kommen mit mir. Wir gehen außen rum.«
Die vier Männer verließen den Wagen und überquerten rasch die Straße. Olson und Sanchez stiegen die Stufen zur Vordertür hinauf. Boone öffnete das Holztor, und Prichett folgte ihm in den Durchgang. Im Hinterhof stand eine rudimentäre Hütte aus Stöcken und Rohleder.
Sie bogen um die Hausecke und entdeckten Thomas Walks the Ground an einem kleinen Holztischchen auf der Veranda. Der Indianer hatte einen defekten Müllschlucker auseinander gebaut und war
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