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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Krankenhaus sein oder ein Bürogebäude, aber es ist ein Gefängnis, entworfen von Jeremy Bentham, einem Philosophen aus dem achtzehnten Jahrhundert. Obwohl er seine Pläne an alle Mitglieder der englischen Regierung verschickte, wurde der Bau nie realisiert. Dieses Modell basiert auf Benthams Zeichnungen.«
    Nash trat an das Modell heran, um es eingehend zu betrachten. »Jeder Raum ist eine Zelle. Die Wände sind so dick, dass zwischen den Gefangenen keine Kommunikation möglich ist. Das Licht fällt von außen ein, sodass der Gefangene zu jeder Zeit im Gegenlicht gut sichtbar ist.«
    »Und die Wachen sind da in der Mitte?«
    »Bentham nannte es den Beobachtungsturm.«
    »Sieht aus wie ein Labyrinth.«
    »Das ist das Schlaue am Panopticon. Es wurde so entworfen, dass der Gefangene seinen Bewacher niemals sehen oder hören kann. Denken Sie einmal über die Auswirkungen nach. Im Turm können sich zwanzig Wärter oder nur einer oder gar keiner aufhalten – es ist völlig egal. Der Gefangene muss davon ausgehen, ständig unter Beobachtung zu sein. Nach einer bestimmten Zeit wird diese Überlegung fester Bestandteil seines Bewusstseins. Wenn das System optimal funktioniert, können die Wachen den Turm in der Mittagspause verlassen – oder für ein verlängertes Wochenende. Es macht keinen Unterschied. Die Gefangenen haben sich mit ihrer Situation abgefunden.«
    General Nash ging zur Bücherwand, öffnete ein Regal, das sich als Attrappe herausstellte und den Blick auf eine Bar mit Gläsern, einem Eiskübel und Schnapsflaschen freigab. »Es ist halb sieben. Normalerweise nehme ich um diese Zeit immer einen Scotch. Es gibt Bourbon, Whiskey, Wodka und Wein. Oder soll ich Ihnen etwas Ausgefalleneres bestellen?«
    »Ich nehme einen Malt Whiskey mit etwas Wasser.«

    »Vortrefflich. Gute Wahl.« Nash entkorkte die Flaschen. »Ich bin Teil einer Gruppe, die sich die Bruderschaft nennt. Es gibt uns schon eine ganze Weile, aber während der letzten Jahrhunderte mussten wir uns darauf beschränken zu reagieren. Das Chaos nur ansatzweise einzudämmen. Das Panopticon war für uns eine Offenbarung. Es hat unsere Art zu denken verändert.
    Selbst der unbegabteste Geschichtsstudent wird einsehen, dass der Mensch gierig, impulsiv und grausam ist. Benthams Gefängnis hat uns jedoch gezeigt, dass soziale Kontrolle möglich ist, verfügt man über die richtigen Technologien. Es ist nicht notwendig, an jeder Ecke einen Polizisten zu postieren. Alles, was man braucht, ist ein virtuelles Panopticon, mit dessen Hilfe die Bevölkerung überwacht werden kann. Man braucht sie nicht im wörtlichen Sinn ständig im Auge zu haben; die Massen müssen sich lediglich mit der Möglichkeit der Überwachung und der Unabwendbarkeit von Strafe abfinden. Die Struktur, das System, die implizierte Drohung müssen zum Lebensumstand werden. Indem die Leute ihre Vorstellungen von Privatsphäre aufgeben, ermöglichen sie eine friedfertige Gesellschaft.«
    Der General trug die Gläser zu einem Sofa und einigen Sesseln, die um einen niedrigen Holztisch gruppiert waren. Er stellte Michaels Drink auf den Tisch, und die Männer nahmen einander gegenüber Platz.
    »Auf das Panopticon!« Nash hob sein Glas und prostete in Richtung des Modells auf dem Podest. »Eine für die Praxis wertlose Erfindung, aber mit hohem Erkenntniswert.«
    Michael nippte an seinem Whiskey. Kein sonderbarer Nebengeschmack, aber man wusste ja nie. »Sie können mir gern einen philosophischen Vortrag halten«, sagte er, »aber das ist mir egal. Ich weiß nur, dass ich ein Gefangener bin.«
    »Um die Wahrheit zu sagen, wissen Sie viel mehr als das. Ihre Familie lebte jahrelang unter falschem Namen, bis eine
Gruppe bewaffneter Männer Ihr Haus in South Dakota überfiel. Wir waren das, Michael. Diese Männer waren unsere Angestellten, und sie folgten unserer uralten Strategie.«
    »Sie haben meinen Vater umgebracht.«
    »Haben wir das?« Kennard Nash hob die Augenbrauen. »Unsere Mitarbeiter haben die Überreste des Hauses unter die Lupe genommen, aber seine Leiche wurde nicht gefunden.«
    Nashs ungezwungener Ton war eine Provokation. Du Arschloch, dachte Michael. Wie kannst du dasitzen und lächeln? Eine Welle des Zorns durchlief seinen Körper, und er dachte daran, über den Tisch zu springen und Nash an die Kehle zu gehen. Endlich könnte er mit dem Zerstörer seiner Familie abrechnen.
    General Nash schien nicht zu bemerken, dass er jeden Moment attackiert werden könnte. Als sein Handy

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