Treffpunkt Irgendwo
auf Hausbesetzer veranstalten die da doch momentan. Die sollten sich lieber um die Rechtsradikalen kümmern. Was sind das denn für Zustände, wenn man junge Leute einfach so einkesselt.«
»Sag ich doch!«, rief meine Mutter. »Das hätte gefährlich werden können.«
»Ach was!«, gab mein Vater knapp zurück. »Wir leben in einer Demokratie. Ärgerlich, ja, ungerecht, ja, aber doch nicht gefährlich.« Und an mich gewandt fuhr er fort. »Jana, das war einfach ein klassisches Zur-falschen-Zeit-am-falschen-Ort-Ding. Zieh deine Lehren draus und verhalt dich in Zukunft einfach etwas besonnener, okay.«
»Und was wird aus der Anzeige?«, fragte ich kleinlaut.
»Das lässt sich sicher regeln.«
Und das tat es dann auch. Am Tag darauf hat mein Vater seinen Freund Ludger angerufen, der ist Anwalt. Und zur Sicherheit auch noch mit einem früheren Doppelkopf-Mitspieler gesprochen. Robert, der inzwischen Richter an irgendeiner Berliner Kammer ist. Und dann trat tatsächlich alles so ein, wie Len es gesagt hatte. Mir passierte gar nichts. Die Ermittlungen wurden eingestellt, die Sache war geklärt.
Kapitel 3
N icht jedoch für mich. Denn dieser Moment am Alex, dieser Augenblick, den Len mir gewährt hatte, ließ mich einfach nicht los. Ich schwankte zwischen Wut und Verlangen. Versuchte, mir selbst alles Mögliche einzureden: Das ist ein Arsch, er hat dir nicht geholfen, klaut dir dein Handy, lass die Finger von ihm.
Und doch war da dieses Lächeln, diese Berührung an der Schulter, als er mich aus dem Polizeikessel gezogen hatte. Es war selbstverständlich völlig naiv von mir gewesen zu glauben, Len würde mir bei der Gerichtssache helfen können. Selbst wenn er das gewollt hätte. Garantiert hatte Len selbst jede Menge Ärger mit der Polizei, er lebte auf der Straße, beziehungsweise in einem besetzten Haus, soweit ich das einschätzen konnte. Die Vorstellung, ausgerechnet er könne mir bei einem Problem mit der Polizei zur Seite stehen, war lächerlich. Zudem, er war ein Punk, Hausbesetzer, meiner Überzeugung nach niemand, der sich für andere interessierte. Leute wie er stellten sich doch mit Absicht außerhalb der Gesellschaft, waren einfach so null-Bock-mäßig drauf, schnorrten, wollten einfach nur abhängen.
Legal, illegal, scheißegal.
Solche Parolen schmierten Kerle wie er doch überall an die Wände. Sie machten mir Angst und regten mich auf, brachten mich auf die Palme. Und dennoch, dieser Typ ließ mich einfach nicht los.
Mehr als einmal erwog ich, wenn ich eigentlich Klavier üben sollte oder Hausaufgaben machen, mit meinen Freundinnen darüber zu sprechen. Aber was hätte ich sagen sollen? Ich wusste ja selbst nicht einmal, was genau in mir rumorte. Und wenn ich ihnen von Len erzählt hätte, dann hätte ich ja auch erzählen müssen, wie ich ihn kennengelernt hatte, und dann hätte ich ihnen gestehen müssen, was damals wirklich an dem Abend in Mitte geschehen war und dass ich sie belogen hatte.
Also versuchte ich es quasi durch das Hintertürchen.
Louisa hatte eine kleine Katze geschenkt bekommen. Sie hieß Fritzi, war ein Weibchen. Damit Mia und ich ihr neues Katzenbesitzerglück teilen konnten, wollte sie neuerdings ständig, dass wir uns bei ihr trafen.
Als wir nun zum x-ten Male bei ihr im Zimmer saßen und mit der süßen kleinen Fritzi spielten, da sagte ich: »Was ich euch erzählen muss. Cora, die kennt ihr doch, oder?«
Die beiden schüttelten die Köpfe. Zu Recht, woher sollten sie Cora auch kennen, es gab keine Cora in meinem Bekanntenkreis.
»Ein Mädchen aus dem Basketball«, erfand ich dreist weiter. »Die müsst ihr doch kennen. So eine Große mit halblangen blonden Haaren. Etwas kräftiger.«
»Nein, was ist denn mit der?«, fragte Mia, während sie dem Kätzchen den kleinen gelben Ball zurollte.
»Die ist jetzt mit einem Punk zusammen«, erklärte ich ihr.
»Wie mit einem Punk, so wie Noah aus der Schule?«
»Nein, ein echter Punk«, behauptete ich. »Punks wie Noah zählen für mich nicht. Fettes A mit Kringel auf der Jeansjacke und dann französische Vokabeln lernen. Einen auf wild machen und sich die Sportsachen von Mama waschen lassen. Noah ist ein Idiot. Nein, der Freund von Cora ist echt. Also, der lebt auf der Straße und so, nix mit Schule.«
»Stelle ich mir peinlich vor«, war Louisas Kommentar.
»Wieso peinlich?«, fragte ich überrascht.
»Na ja, wenn der auf der Straße lebt, dann dürfte der doch stinken«, erklärte sie. »Und dann… worüber will man
Weitere Kostenlose Bücher