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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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mit so einem überhaupt reden.«
    »Keine Ahnung!«, erwiderte ich. »Nur, als Cora das mir, also nicht nur mir, allen im Team erzählt hat, da habe ich mich gefragt, wie das wohl so sein muss, wenn man auf der Straße lebt.«
    »Augenblicklich vermutlich kalt«, war Mias pragmatischer Kommentar.
    »Der Freund von Cora lebt in einem besetzen Haus«, schrieb ich meine Geschichte weiter fort.
    »Hausbesetzer sind cool«, nickte Mia. »Ich könnte das zwar nicht selbst machen, aber irgendwie finde ich das cool.«
    »Echt?« Louisa sah sie überrascht an. »Das sind Kriminelle, das weißt du schon, oder?«
    »Na und?«, ging ich dazwischen. »Mein Vater sagt, wenn es die Hausbesetzer damals nicht gegeben hätte, dann würde Berlin inzwischen anders aussehen. Wären die Hausbesetzer nicht gewesen, dann wären all die schönen Altbauten damals in den… Siebzigern? Jedenfalls wären die alle abgerissen und durch diese hässlichen Neubauten ersetzt worden. Dass Schöneberg oder Kreuzberg so geil ist, verdanken wir echt den Hausbesetzern.«
    »Für mich sind das trotzdem Kriminelle. Wenn ich mir das vorstelle, da würden einfach welche hier reinkommen und unser Haus besetzen…« Louisa verstummte bei dieser Vorstellung.
    »Also ob die jemals ein Haus in Marienfelde besetzt hätten«, kicherte Mia. »Ist doch viel zu öde hier. Ich will ja im Studium mal nach London oder Barcelona. Da gibt es auch viele Hausbesetzer, glaube ich. Mal sehen, vielleicht ziehe ich da mal nur so aus Neugier auch mal irgendwo ein. Etwas Abenteuer, sozusagen.«
    »Du spinnst«, fand Louisa wieder ihre Worte.
    »Und Punks, wie steht ihr dazu, weil…« Ich zögerte. »Weil, ich mein, das ist ja auch irgendwie so politisch. Cora sagt, ihr Freund sei so total anti drauf. Gegen den Staat, gegen die Gesellschaft, einfach so gegen alles.«
    »Aber da gibt es doch voll die Unterschiede!«, rief Mia. »Noah hat doch… ach ja, ihr habt Englisch als erste Fremdsprache. Noah und ich sind ja im Französischkurs, Englisch ist also meine zweite Fremdsprache…«
    »Was hat das denn damit zu tun«, fragte ich irritiert.
    »Noah hat in Englisch zweimal ein Referat über Punks gehalten«, begann Mia zu referieren. »War echt interessant. London, Sex Pistols, destruktives Verhalten sich und anderen gegenüber als angemessene Reaktion auf festgefahrene politische Verhältnisse. Das war seine Grundthese, ist irgendwie hängen geblieben. War witzig damals. Unser Noah, dieser doch im Grunde so brave kleine Junge, erzählte uns mit leuchtenden Augen von radikal selbstbestimmten Punks, wie er ja auch gerne einer wäre, die radikal ihr Ding leben. Die echt hart drauf sind. Ihr wisst schon, Chaostage Hannover oder 1. Mai in Kreuzberg. Nobelkarossen anzünden.«
    »Was einfach Scheiße ist!«, giftete Louisa. »Das sind Kriminelle und die gehören…«
    ». . . eingesperrt?«, soufflierte Mia mit einem abschätzigen Lächeln.
    »Ja, warum nicht«, rief Louisa trotzig.
    »Sehe ich anders, aber deiner Cora und ihrem Freund gebe ich dennoch keine richtige Chance.« Mia war mit Louisa fertig und wandte sich mir zu.
    »Wieso?«
    »Weil die Unterschiede einfach zu groß sind. Keine eigene Wohnung, kein Geld, er wird sich ihr gegenüber schämen, da er sie nicht ausführen, nicht einladen kann. Ihr keine Geschenke machen kann…«
    »Aber wie du selbst sagst, er ist absolut frei.« Ich sah sie herausfordernd an. »Niemandem Rechenschaft schuldig, keine Schule…«
    »Das kann ich auch so haben, ohne auf der Straße leben zu müssen.«
    »Weil deine Eltern Geld haben«, wandte ich ein.
    »Geld spielt in diesem Zusammenhang nun mal überhaupt keine Rolle«, gab Mia knapp zurück. »Zwingt dich wer, zur Schule zu gehen, leidest du darunter?«
    »Nein.«
    »Na also. Wenn der Kerl seinen Spaß haben will, bitte«, beendete Mia die Debatte, ganz so wie es ihre Art war. »Aber dann soll er mich bitte damit verschonen, dass er das aus politischen Motiven macht. Wer heute Punk ist oder auf der Straße lebt, der macht das, weil er es will. Weil er Bock dazu hat und es ihm gerade Spaß macht. Basta.«
    Ich wollte ihr erst widersprechen, behielt dann jedoch meine Gedanken lieber für mich. Ich hatte Len in die Augen gesehen und wusste, er lebte nicht so, weil er dazu Bock hatte. Len war auch kein Salonpunk wie Noah. Len war echt. Len war wirklich ausgestiegen, lebte vermutlich in einer komplett anderen Wirklichkeit als ich.
    Ich war schon immer jemand, der sich dafür interessierte, wie

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