Treffpunkt Scheuermühle
Kajüte. Er war prallvoll und platzte bei der Landung auf. Eingepackte Wurtsemmeln und Getränkedosen fielen heraus.
„Mahlzeit!“ schnarrte eine Stimme vor der Tür, bevor sie wieder den Schlüssel umdrehte.
„Hört zu“, flüsterte Lilo den anderen zu. „Diese Gauner sind gefährlich. Das ist klar. Doch sie haben auch Angst, erkannt zu werden. Sonst würden sie nicht diese Stimmenverzerrer benutzen. Sie rechnen also damit, daß wir freikommen und sie verraten könnten. Das bedeutet, es ist möglich. Wir müssen etwas unternehmen.“
Die anderen teilten ihre Hoffnung nicht im geringsten. Keiner rührte das Essen an, denn niemand spürte Hunger. Sie teilten sich zu fünft eine einzige Limo-Dose. Das war alles.
Wieder kehrte bedrückende, beängstigende Stille ein.
Die Zeiger auf Axels Uhr standen auf 11.15 Uhr, als sie jemand an der Kajütentür hantieren hörten.
„Sie kommen uns holen!“ schluchzte Poppi. „Sie machen ernst!“
Lilo sah sich im Raum um. Sie wollte den Ganoven den entsprechenden Empfang bereiten. So einfach bekamen sie die Knickerbocker-Bande nicht zu fassen. Doch in der ganzen Kajüte war kein Gegenstand, mit dem sie dem Entführer eines überziehen hätte können.
In ihrer Verzweiflung stellte sie sich deshalb dicht neben den Türrahmen, ballte beide Hände zu einer großen Faust und hob diese hoch über ihren Kopf.
Unter leisem Quietschen öffnete sich die Tür. Kalte Luft wehte Lilo entgegen.
„Pssst!“ machte jemand. In diesem Moment ließ Lieselotte ihre Faust heruntersausen. Sie traf den Eindringling im Genick, und er kippte mit einem leisen Aufschrei nach vor.
„Der Mann... der Mann im Lederanzug mit dem VW!“ flüsterte Axel aufgeregt.
Der Mann, den Lilo gerade zu Boden gebracht hatte, richtete sich stöhnend auf. Die vier Knickerbocker wichen in den hinteren Teil der Kajüte zurück, wo der Professor und Frau Kelly auf dem Bett saßen.
Wieder trug der Unbekannte den Sturzhelm, obwohl er nie auf einem Motorrad gefahren war. Zu ihrer großen Überraschung deutete er der Bande, still zu sein. Er warf einen Blick hinaus und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu.
Dann zog er den Helm vom Kopf.
Axel traute seinen Augen nicht. Er schluckte und kniff die Augen zusammen. Das konnte es doch nicht geben. „Ju... Julian!“ flüsterte er. „Du???“
„Nein, der Ochs vom Gelben Berg!“ zischte sein Cousin.
„Aber... aber wieso du in dem Anzug? Der Sturzhelm? Das Feuer im Bürohaus? Steckst du mit Herrn Kelly und seiner Kollegin unter einer Decke?“
Julian tippte mit dem Finger an die Stirn.
„Ich erkläre euch alles später. Aber jetzt müssen wir von diesem Schiff fort.“
„Nur wie?“ fragte Dominik. „Wir können doch nicht in die Donau springen. Das Wasser ist zu kalt und reißend. Außerdem könnten uns die Gangster entdecken, und falls sie bewaffnet sind, gute Nacht!“
Es war Poppi, die diesmal die rettende Idee hatte. Sie zitterte zwar noch immer am ganzen Körper, aber sie wußte etwas. Denselben Trick hatte sie einmal in einem Film gesehen, und vielleicht klappte er auch hier.
„Herr Professor... bitte trennen Sie Ihre Wolljacke auf, forderte sie Alexander Dostoinikow auf. Der Wissenschaftler blickte sie völlig verdutzt an. Frau Kelly, die wußte, daß es jetzt auf jede Sekunde ankam, zog dem Mann die Jacke einfach aus und machte sich daran, sie aufzutrennen.
Im Telegrammstil erklärte Poppi den anderen ihre Idee, die ziemlich einfach war. Doch würden die Profigangster auf diesen simplen Trick wirklich hereinfallen?
„Wir können es nur hoffen, und die Chancen stehen 50 zu 50“, flüsterte Lilo den anderen zu.
Schluß mit Knalleffekt
Ungefähr fünf Minuten später ertönte lautes Gerumpel und Gepolter in der Kajüte. Es krachte und klapperte unentwegt.
Charles und seine Helferin ließen sich Zeit. Sie befanden sich im Steuerhaus, das auf diesem Schiff direkt über der Kajüte lag.
Endlich hörten die Knickerbocker eine Tür aufgehen. Schritte näherten sich. Leider hatten sie nur einen der beiden anlocken können. Das machte die Sache natürlich komplizierter.
„Was ist da drinnen los? Ruhe!“ rief eine tiefe Stimme barsch. Sie mußte Charles Kelly gehören.
Das Gepolter brach aber nicht ab, sondern ging weiter. „Ruhe, habe ich gesagt“, befahl der Gangster.
Als es noch weiterkrachte, schob er den Riegel zur Seite und sperrte auf. Er öffnete langsam die Tür und verdeckte sein Gesicht mit der Hand, als er
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