Treibgut - 11
Mit kleiner Stimme sagte sie: »Einen Kleinen Oreal und dreißig Dirham.«
Liva barst förmlich vor Lachen und rollte sich auf dem Boden zusammen: »Das sind gerade acht Heller, Querisch, dafür bekommst du noch nicht einmal einen Dolch!«
Querinia lief rot an und schämte sich noch mehr. Zum einen, weil sie so dumm war, zum andern, weil sie nicht wirklich wollte, daß Nestorio sterben sollte. Er sollte nur aufhören, die alte Shalima zu quälen.
»Ich glaube, es ist nicht richtig, daß man so etwas denkt und sich vom Herrn Boron wünscht«, meinte sie kleinlaut.
»Ja, vielleicht nicht«, stimmte Liva zu.
Nestorio war äußerst gereizt. Wo steckte diese alte Vettel schon wieder? Glaubte sie denn, damit durchzukommen, daß sie sich vor ihm versteckte? Nun, derlei würde er ihr schnell austreiben. Irgendwann mußte sie sich ja wieder zeigen. Mit eiligem Schritt durchquerte er den Durchgang vom Herrenhof zum Sklavenhof, schaute auf beiden Seiten unter die Arkaden und entdeckte schließlich Liva und Querinia. Faules und eingebildetes Pack! dachte er und durchmaß rasch den Hof.
»He, ihr da, was liegt ihr so faul da herum? Seid ihr jetzt die Herrschaften, wie? Auf, auf!« schnauzte er.
Erschrocken sprang Querinia auf, wohingegen Liva den Befehl nicht gehört zu haben schien.
»He, Alter, ich rede mit dir, steh gefälligst auf!«
»Alte Männer liegen gern in der Sonne«, antwortete Liva bedächtig.
Der Bonze glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, und wie der heiße Wind der Khom schoß ihm das Blut in den Kopf. »Hau ab!« brüllte er das Mädchen an und trat gleichzeitig Liva heftig in die Seite. Der Getretene krümmte sich vor Schmerz und, während das Mädchen verängstigt das Weite suchte, erhob er sich langsam auf Hände und Knie und richtete sich auf. Nun gut, so ist endlich die Stunde gekommen! dachte der Bonze mit zornrotem Kopf und schaute sein Gegenüber erwartungsvoll an.
Ein Paar kalter Augen erwiderte seinen Blick, kalt wie der Hauch Firuns oder wie die Augen des Herrn, wenn er sehr zornig war. Was bildete sich der Bursche ein? Nestorios Hände packten flink das Gewand des Hauslehrers: »Was glotzt du so?« Ein Sprühregen von Speichel näßte Livas Gesicht. Er senkte den Blick.
»Verzeih mir, Bonze, ich habe mich vergessen.«
»Was soll das heißen, du hast dich vergessen, was?«
»Ich wollte nicht … es war wegen des Mädchens … ich wollte …«
»Du wolltest vor ihr angeben, wie?«
Auf einmal war Nestorios Zorn verraucht. »Du bist also hinter ihr her, was?« Er lachte schallend. »Was seid ihr doch für ein feines Paar!« Er wurde wieder ernst: »Merk dir, wenn ich will, kann ich es einrichten, daß du jeden Tag hier verfluchen wirst, und du wirst jeden Tag zählen, den du lebst. Das kannst du doch, das Zählen, Lehrerlein, wie?«
»Ja, Bonze«, antwortete Liva leise.
Zufrieden ließ ihn Nestorio stehen und schlug den Weg zur Küche ein. Bevor er sie betrat, drehte er sich nochmals um und rief mit schmeichelnder Stimme über den Hof: »Beweg dich richtig, Liva!«
Drinnen erzählte er Curma, Sica und dem lahmen Henja brühwarm, daß das ›Alterchen‹ es auf Querinia abgesehen habe. Es machte ihm nicht einmal etwas aus, daß auch Shalima anwesend war, er lächelte ihr sogar fast freundlich zu. »Ein hübsches Paar seid ihr beiden«, bemerkte er zu Querinia, die mit roten Ohren zugehört hatte. »Ich frage mich die ganze Zeit, ob der Barbier dafür gesorgt hat, daß dein Liebster noch anderswo ein alter Mann ist.« Um keinen Zweifel offenzulassen, faßte er sich zwischen die Beine: »Sag, ist er’s, oder ist er’s nicht?«
»Ich weiß nicht«, antwortete sie und wandte sich ab. Das ging aber bereits in dem Gelächter aller Anwesenden unter. Es war ein köstlicher Scherz, der schnell die Runde machte.
Am Boronstag wechselte Shalima die Bettwäsche der Herrschaften. Sie hatte die alten Laken abgezogen, in eine Ecke des Zimmers geworfen und dann fein säuberlich die frischen, schwach nach Jasmin duftenden Tücher auf dem Bett ausgebreitet und glattgestrichen sowie die Decken sorgfältig gefaltet und darübergelegt. Sie nahm die alten Laken und packte sie mit einigen Kleidungsstücken der Herrschaften, die achtlos im Zimmer verstreut lagen und ebenfalls der Reinigung bedurften, zu einem Bündel zusammen, das sie vor sich auf den Armen trug. Dann ging sie zum Perlvorhang, um den Rundlauf entlang zur Treppe in den Innenhof zu kommen und sodann die Wäsche in die Waschküche zu
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