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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Peitschholm, einem Balken, der von der Wand des Hauses ein Stück waagrecht in den Hof ragte, und riß ihr die Bluse vom Leib. Um ihre plötzliche Blöße zu bedecken, verschränkte das Mädchen rasch die Arme über der Brust, nicht lange, denn sie wurden ihr vom Bonzen auseinander- und hochgerissen, und ihre Handgelenke wurden an Lederschlaufen am Balken festgezurrt. Nestorio trat einige Schritt zurück, nahm die Peitsche und wartete auf das Zeichen der Herrschaften. Breitbeinig stand er da, die drei Schritt lange Schnur aus geflochtenem Leder hing neben ihm vom Stiel der Peitsche herab und ringelte sich auf dem Boden wie eine tückische Schlange. Weder Marno noch Imelde verloren auch nur ein Wort über Querinias Missetat. »Nun fang an, Nestorio!« befahl Imelde endlich mit weicher Stimme.
    Der Bonze nahm drei Schritte Anlauf und ließ die Peitsche auf Querinias Rücken klatschen. Wimmernd bäumte sie sich auf, ein roter Striemen zeichnete sich auf ihrem Rücken ab. Er ging bedächtig zu seinem Ausgangsplatz, nahm abermals Anlauf – ein weiterer roter Striemen. Beim dritten Schlag blieb es nicht mehr nur bei Striemen: Dort wo die Peitsche den Rücken getroffen hatte, traten purpurne kleine Perlen aus Querinias Haut.
    Imelde schaute zu Liva hinunter. Eine kurze Bewegung von ihm hatte sie vom Schauspiel der Bestrafung abgelenkt; es hatte so ausgesehen, als hätte der Sklave ausgespuckt. Sie wußte zwar, daß dies nichts bedeuten mußte, denn viele Männer hatten diese seltsame Angewohnheit, grundlos auf den Boden zu speien, aber sie wollte sich doch Klarheit verschaffen.
    »Halt ein, Nestorio!« rief sie in den Hof hinab. »Liva wird dich ablösen!«
    Und wie recht Imelde doch gehabt hatte! Für einen winzigen Augenblick erkannte sie in den schwarzen Augen des Hauslehrers lodernden Haß, der blitzartig einer erneuten Ausdruckslosigkeit wich. Ihre Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. Auch ihr alter Lehrer Liva hatte bisweilen diesen Ausdruck in den Augen gehabt, den eines gebändigten Tieres, das gern aufbegehrt hätte, aber es nicht wagte. Ach ja, ihr guter alter Großvater Liva!
    »Es geht nicht gegen dich, ich bin sehr mit dir zufrieden«, gab sie Nestorio zu verstehen, der die Peitsche an Liva weiterreichte. »Du verstehst, Liva, daß ich dich damit belohne und ehre, nicht wahr?« fragte sie den Sklaven. Dieser beugte sich weit vor und antwortete mit klarer Stimme: »Ja.« Imelde fühlte den Blick ihres Gemahls auf sich ruhen. Er fragte sich vermutlich, warum sie so handelte, doch dies, so nahm sie sich vor, sollte einmal ihr Geheimnis bleiben. Liebevoll legte sie ihre Hand auf die seine, die auf der Brüstung ruhte, und gab Liva das Zeichen, mit der Auspeitschung fortzufahren.
    Er erledigte seine Aufgabe denkbar ungeschickt, vielleicht weil er nicht richtig zugeschaut hatte, wie der Bonze die Peitsche führte, vielleicht weil ihn das Korsett behinderte, vielleicht weil er sich einbildete, er könne dem Befehl seiner Herrschaften trotzen. Wie Nestorio nahm er Anlauf, doch die Peitsche schnalzte nach hinten und ließ die anderen Sklaven kreischend auseinanderstieben, denn beinahe hätte er einen von ihnen erwischt. »Streng dich an!« donnerte Marno von oben. »Und für jeden weiteren Schlag, den du verpatzt, wirst du ihr einen zusätzlichen verpassen. Also los!«
    Liva, hinter dem sich jetzt eine Gasse gebildet hatte, konzentrierte sich, sprang los und legte seine gesamte Kraft in den Schlag. Im Gegensatz zu Nestorio führte er ihn jedoch nicht von oben nach unten, sondern umgekehrt. »Was tust du Schwachkopf denn nun schon wieder?« tönte es von der Brüstung. Abgelenkt schaute der Sklave noch in der Bewegung nach oben, so daß die Peitschenschnur unkontrolliert nach vorn schnellte.
    Ein schriller Schrei kam aus der Kehle der gepeinigten Querinia, als sich das Lederseil um sie wickelte, und hallte in den Bogengängen wieder. Sie sackte in die Knie, und hätten sie die Schnüre nicht am Balken festgehalten, dann wäre sie gestürzt. Das Zurückziehen der Schnur versetzte den bewußtlosen Körper in eine kreiselnde Bewegung, langsam drehte er sich nach vorn, der Kopf hing im Nacken. Von oben war deutlich zu sehen, was der Schlag angerichtet hatte: Quer über das Gesicht war die Haut aufgeplatzt, eines der Augen war nur noch eine blutige Masse.
    Marno tobte: »Er hat sie mir ruiniert! Der verdammte Kerl hat sie mir ruiniert! Bursche, dafür wirst du …«
    »Marno!« fiel ihm Imelde ins Wort. »Marno!

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