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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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gezweifelt, daß er im Kampf kaum auf die Hilfe seiner Beschützer angewiesen wäre. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließen seine Augen, die wegen der schwarzen Sprenkel auf den Augäpfeln wie steinerne Murmeln wirkten.
    Marno hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen Gast schon im Freien zu begrüßen. Mit weitausholenden Schritten eilte er über den Hof, nahm seinen Besucher in die Arme, klopfte ihm auf den Rücken. »Boromeo, alter Freund!« war da zu hören und »Mein lieber, lieber Marno!« Als die beiden Männer sich ausreichend begrüßt hatten, verbeugte sich der Neuankömmling charmant vor der Herrin des Hauses. »Du wirst immer schöner, Imelde«, sagte er, während sie einen niedlichen Knicks ausführte. »Ihr schmeichelt«, entgegnete sie weniger vertraulich.
    Das Gepäck des Gastes wurde in das für ihn hergerichtete Gemach in der zweiten Etage des Hauses gebracht; für die Beschützer war ein Raum im Erdgeschoß bereitet worden; die Träger fanden ihren Platz im Sklavenquartier.
    »Es ist gut, wieder hier zu sein!« rief Boromeo noch im Gehen aus. »Außerdem kann ich dadurch meinen Aufenthalt auf dem Silberberg noch etwas hinausschieben. Es geht dort etwas … steif … zu für meinen Gusto.«
    »Wann bist du angekommen?« fragte Marno.
    »Soeben«, entgegnete der Hüne, »ich habe lediglich Lucan vom Hafen aus losgeschickt, meine Sänfte und Träger zu holen. Ansonsten komme ich geradewegs aus Neetha. Welch ödes Kaff, doch Geschäfte führten mich dorthin. Davor war ich in Khunchom. Welch eine Stadt! Wie schade, daß wir sie nach Tar Honaks Tod nicht halten konnten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie bezaubernd es dort ist. Tausend zierliche Brückchen überspannen die Arme des Mhanadi, und wo man auch hinschaut, überall diese niedlichen Zwiebeltürmchen, ganz in Weiß, mit Dächern aus Gold.«
    »Was hat Euch dort hingeführt?« wollte Imelde wissen, als sie Boromeos Gemach erreicht hatten. »Geschäfte, Reizendste, ich will dich damit nicht langweilen.« Dann mit einem Seitenblick zu Marno: »Ich werde dir noch davon erzählen.«
    Später traf man sich im Eßgemach wieder. Die Kinder hatten einigermaßen flüssig ihr Gedicht aufgesagt, Boromeo hatte ihnen die Wangen getätschelt, anschließend durfte Diago den Mundschenk spielen und die Pokale aus rotem Kristall mit Wein füllen.
    »Wie lange wirst du bleiben, Freund?« erkundigte sich Marno. Sein Gast seufzte: »Nur kurz, meine Lieben, vielleicht schon morgen abend, doch spätestens übermorgen werde ich euch verlassen.«
    »So bald?« fragte Marno etwas enttäuscht.
    »Ja, es ist unangenehm«, pflichtete sein Gast bei, »ich bin später angekommen als geplant. Ich habe in Al’Anfa noch einiges zu regeln, und schon am folgenden Rohalstag geht mein Schiff.«
    »Wohin?« fragte Marno.
    »Khunchom«, gab Boromeo zurück und bleckte die gelben Zähne zu einem Lächeln. Marno zog erstaunt eine Augenbraue hoch, Boromeo antwortete mit einem kurzen Wimpernschlag, was ›Später!‹ bedeuten sollte.
    Bis zum Essen erging man sich in belanglosem Geplauder. Endlich wurde aufgetragen: silberne Platten mit Braten, Geflügel und Efferdsfrüchten, Porzellanterrinen mit Suppen und Saucen, glasierte Tonschüsseln mit Reis, Brei, Früchten und Gebäck.
    Schwere zinnerne Teller standen auf dem Tisch, neben denen zierliches Besteck mit elfenbeinernen Griffen lag. Zwei Sklaven, die man in weiße Pagenuniformen mit Rüschen und goldenen Tressen gesteckt hatte, waren für das Servieren abgestellt worden: Alrisca und Liva.
    Imelde war erstaunt, den Hauslehrer in dieser Tätigkeit zu sehen, und winkte ihn zu sich. Er schlurfte zu ihr, bückte sich zu ihr hinab. »Was tust du hier?« zischte sie. »Hatte ich nicht nach Alrisca und ihrer Schwester verlangt?«
    Er flüsterte: »Der Bonze hat mich statt Dhiram eingeteilt, denn der Difar ist ihr in die Innereien gefahren. Nun liegt sie mit Krämpfen auf ihrem Lager, kaum imstande, den Inhalt ihrer Gedärme bei sich zu behalten.«
    »So genau wollte ich’s nicht wissen«, zischte Imelde zurück, »erst recht nicht beim Essen. Also tu, wie dir geheißen, und benimm dich anständig.«
    Wie sich zeigte, hatte der Bonze eine gute Wahl getroffen, denn der Hauslehrer wußte durchaus, das Fleisch mit dem langen scharfen Bratenmesser geschickt und vornehm zu schneiden, Geflügel und Krebse mit Zangen zu portionieren und alles schön auf den Tellern herzurichten. Er hatte viel bei Zor gelernt, Imelde war stolz auf diesen

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