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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Beleidigung.
    Liva und Querinia saßen beieinander auf seinem Lager und erzählten sich halblaut die kleinen Geschehnisse des Tages. Der Sklave ließ dabei den überwiegenden Teil seines Tagesablaufs aus und erwähnte weder seine Begegnung mit Shalima noch daß er das Mädchen in der Stadt gesehen hatte. Statt dessen hörte er ihr zu, wie sie ihm von den Besorgungen für die Herrschaften berichtete oder Erlebnisse schilderte, die sie oder einer der anderen bei den Einkäufen gehabt hatte.
    Am Ende einer dieser Geschichten führte Liva seine Hand zu Querinias Wange. Er streichelte zärtlich darüber, ließ seinen Daumen über ihre Augenbraue gleiten, den Nasenrücken entlang bis zu ihren Lippen, und zeichnete sie nach. Die Hand wanderte weiter in Querinias Nacken, zog ihren Kopf dicht heran, dann küßte er Querinia. Gleichzeitig fuhr seine andere Hand über ihre Schulter, verharrte auf ihrer Brust, glitt weiter an ihrem Körper hinab. Sie machte sich frei von ihm. »Nicht hier«, flüsterte sie und stand auf.
    Liva folgte ihr.
    »Nun erfährt man’s ja doch noch, wie’s um das Alterchen bestellt ist«, kam es anzüglich aus der Runde am Eingang. Gelächter folgte, endete in einem überraschten »Autsch!«, als Livas Fuß im Hinausgehen wie durch ein Versehen schmerzhaft den des Spötters traf. Der Hauslehrer ging weiter, eine zornige Verwünschung eilte ihm nach.
    Im Dunkel des Geräteschuppens, auf der andern Seite des Sklavenhofes zwischen Hacken, Forken und Besen, legten sich Querinia und ihr Gefährte nieder und schmiegten sich aneinander. Livas Finger nestelten die Bänder von Querinias Kleidung auf, schoben sacht den Stoff zur Seite und begannen mit der Erkundung ihres Körpers.
    Querinia fing an hastig zu reden: »Ich sah eine Gauklerin heute. Sie warf Bälle, bunte, in Blau, Rot und Gelb, hoch in die Luft und fing sie dann wieder auf. Einmal hat sie es nicht mehr geschafft und einen fallen lassen. Gibt es Gaukler in Neetha? Wir haben drei Lämmer gekauft für den Gast der Herrschaften. Kleine weiße Lämmchen mit lockigem Fell. Sie sahen niedlich aus. Sie waren zutraulich. Die armen Tierchen, in ein paar Tagen werden sie geschlachtet. Es ist viel zu tun für diesen Gast. Ich mag ihn nicht, er hat unheimliche Augen mit schwarzen Punkten. Hast du jemals so jemanden gesehen? Jedes Jahr kommt er. Er hat eine Sänfte. In Neetha gibt es doch Sänften? Sie ist prächtig. Wir müssen die Leintücher waschen, viel zu tun, Shalima fehlt uns, auch wenn der Bonze immer gesagt hat, sie sei faul. Er hat den Lämmchen die Beine zusammengebunden, dann haben wir sie die steilen Treppen hochgetragen. Ich habe immer Angst, dort auszurutschen und hinabzustürzen. In Neetha muß man das nicht, oder?«
    Sie plapperte drauflos, als ob sie niemals wieder Gelegenheit zum Reden haben würde oder als hätte ein boshafter Schelm oder Kobold ihr einen Sprechzwang angehext. Liva legte einen Finger auf ihre Lippen und flüsterte: »Sch-sch.« Für einige Herzschläge verstummte Querinia, dann setzte der Schwall aufgeregter Sätze erneut ein, sprang von Thema zu Thema, war wie ein Streifzug durch alles, was sie bewegte, was sie jemals bewegt hatte oder jemals bewegen würde. Endlich versiegte das Wortgesprudel unter Livas Liebkosungen.
    Als er in sie eindrang, lösten sich andere Töne aus ihrer Kehle. Sie sang. Es war ein gläubiges Lied an den Herrn Boron, wie man es vortrug, wenn jemand zu Grabe getragen wurde, wenn man den Totengott um den Frieden und das Vergessen bat.
    »Es ist nicht unbedingt der Tod, den wir gerade preisen, Querisch«, versuchte Liva einen lauen Scherz.
    »Es ist wegen der Geräusche, die du machst«, gab sie zurück und sang weiter.
    Liva hörte auf, sich zu bewegen, und starrte in die Dunkelheit. »Was ist mit dir?« fragte er und fuhr mit der Hand sacht über Querinias Gesicht. Es war naß vor Tränen. »Nichts«, antwortete sie mit erstickter Stimme, »nichts.«
    Er stützte sich mit den Armen weiter ab und entfernte sich dadurch von ihr. In die undurchdringliche Schwärze hinein fragte er: »Wer hat dir das angetan?«
    »Niemand«, antwortete Querinia, »niemand, das bin nur ich«, und nahm ihren Singsang wieder auf, zwar nicht laut, doch inbrünstig, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Regungslos verblieb Liva so, wie er gerade war, wartete, ob noch irgend etwas von Querinia käme außer den Tönen des Liedes, dann stand er auf, zog schweigend seine Kleidung über und verließ den Schuppen, aus dem

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