Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
Vom Netzwerk:
Marno! Marno!« Ihr Gemahl blitzte sie zornig an. »Marno!« flehte seine Frau. »Bedenke, was du sagst. Vergiß nicht, er ist ein Geschenk unseres Freundes Zor. Du kannst nicht alles mit ihm machen, was du willst! Denk an Zor!«
    »Ein feines Geschenk ist mir das«, grollte ihr Gatte. »Erst ruiniert er mir die Vase, dann diese junge Sklavin. Schau sie dir doch nur an! Welchen Wert hat sie jetzt noch? Soll ich warten, bis er das ganze Haus verwüstet hat?«
    »Sie wird es überstehen«, beruhigte ihn Imelde, »und solange wir sie nicht verkaufen wollen, wird sie uns auch weiterhin gute Dienste leisten.«
    Marno grummelte noch eine Weile vor sich hin. Beherrscht fällte er schließlich sein Urteil: »Noch einmal sei dir Gnade erwiesen, du Hund! Zerstörst du mir abermals etwas, so verspreche ich dir, daß ich dich den Krokodilen vorwerfen lasse, damit sie dich bei lebendigem Leib auffressen!« Liva verbeugte sich mit blassem Gesicht: »Du bist gnädig zu mir.« Mit einer unwirschen Handbewegung befahl Marno den Beschützern: »Steckt ihn für den Rest des Tages in die Kiste!«
    Nun mußte doch noch ein Heiler zum Anwesen der Gordovanaz gerufen werden. Mit groben Stichen flickte er Querinias zerstörtes Gesicht zusammen und versorgte das unrettbar zerschlagene Auge. Liva verbrachte den Rest des Tages eingesperrt in eine Kiste, in der er weder Arme noch Beine regen konnte. Sie stand auf dem Sklavenhof, und der Schild Praios’, des Gerechten, brannte unbarmherzig darauf. Erst am Ende des Tages befreite man Liva. Es war eine klare Nacht, am Himmel erstrahlte leuchtend das Geschmeide des Herrn Phex.
     
    Der nächste Abend brachte den erwarteten Besuch. Liva war den gesamten Tag über damit beschäftigt gewesen, den Kindern das Gedicht beizubringen, da es galt, den gestrigen Tag aufzuholen. Schließlich hatte er sie ihren Eltern vorgeführt, damit sie zeigen konnten, was sie gelernt hatten. Beide waren sehr zufrieden, wenn auch Marno den Hauslehrer die Ungnade, in die er gefallen war, spüren ließ, indem er so tat, als wäre er nicht zugegen.
    Querinia lag währenddessen auf ihrem Lager, das Gesicht bandagiert, und versuchte, ihr Unglück zu fassen. Aus ihrem verbliebenen Auge starrte sie zur Decke. Sie dachte wiederholt daran, wie Liva gesagt hatte, ihre Augen seien wie Perlen. Jetzt würde er das nicht mehr meinen, selbst wenn nicht dieses kalte Nichts zwischen sie getreten wäre, denn sie hatte nur noch eines. Nur ein Auge! Sie konnte es sich nicht vorstellen, sie hatte immer zwei gehabt. Liva hatte ihr jetzt das eine ausgeschlagen, nein, nicht Liva, sie selbst, es war ihre eigene Schuld gewesen, weil sie nach Sternen gegriffen hatte, die nicht die ihrigen waren. Nur noch ein Auge. Der Tränenstrom aus dem verbliebenen wollte kein Ende nehmen.
    In der Küche machte sich Querinias Ausfall, nach Shalimas Weggang nun schon der zweite, schmerzlich bemerkbar. Es gab noch soviel zu tun. Nestorio hatte Dhiram und Alrisca zu Curmas Unterstützung abkommandiert, zwei Geschwister, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen. Man rätselte, was Querinia verbrochen haben mochte, daß sie so schrecklich bestraft worden war. Entgegen ihren Gewohnheiten ließ Curma kein schlechtes Wort über das Mädchen fallen, gab nur wieder, was der Bonze gesagt hatte: »Er allein ist schuld. Er bringt Unglück.« Andererseits, hatte er der alten Shalima nicht Glück gebracht? War sie jetzt nicht frei? »Niemand kann ihn leiden«, entschied Alrisca. »Was muß sie sich mit ihm einlassen?«
     
    Die Praiosscheibe stand schon tief am Himmel, als die schwarzsilberne Sänfte Boromeo Wulweshjodens von vier kräftigen Trägerinnen durch das Tor geschleppt wurde. Neben der Tragkutsche liefen zwei weitere Sklaven mit dem Gepäck des Passagiers sowie drei Beschützer, wachsame Gestalten, die Schwerthand lässig auf den Knauf ihrer Waffen gestützt. Trotz ihres wehrhaften Auftretens verkümmerten sie zur puren Staffage, als ihr Soldgeber der Sänfte entstieg. Er maß mehr als zwei Schritt, die vierschrötige Gestalt und das blonde Haar verrieten seine bornische Abkunft. Boromeo trug einen auffälligen Schnurrbart, dessen lange Spitzen mit Wachs versteift und hochgezwirbelt waren, so daß sie wie zwei Spieße zu beiden Seiten seines Gesichts in die Höhe stachen. Jede seiner Bewegungen verriet den Krieger oder zumindest einen Mann, der die Ausbildung eines solchen genossen hatte. Er trug lediglich einen langen Dolch an der Seite, trotzdem hätte niemand daran

Weitere Kostenlose Bücher