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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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einem Krieger aus Perricum«, gab sie zur Antwort. »Ich vermute, er ist in der Arena gefallen.« Sie stutzte, als sie Livas Familienzeichen sah. »Was geht es dich an?« fuhr sie unwirsch fort.
    Liva neigte den Kopf. »Es ist nur, daß ich dachte, er könne meinem Herrn gefallen.«
    Sie wurde freundlicher. »Das ist ein guter Schild, er bringt Glück. Sag das deinem Herrn. Und wenn er ihn kauft« – sie zwinkerte Liva verschlagen zu –, »dann werde ich mich deiner erinnern. Das verstehst du doch, wie?«
    Nicht ganz im gleichen Ton antwortete er: »Ja, das verstehe ich.« Und verließ den Laden.
    Auf dem Heimweg hatte er eine zweite unerwartete Begegnung. Diesmal war es Querinia, die mit Nestorio im Auftrag der Herrin losgeschickt worden war, die Einkäufe für den erwarteten Besuch zu erledigen. Liva war nicht erstaunt, sie allein zu sehen, denn er wußte, daß es zu den Gepflogenheiten des Bonzen gehörte, die anderen Sklaven die Besorgungen tätigen zu lassen, während er sich solange von den Händlern aushalten ließ, die er als Lieferanten der Familie Gordovanaz ausgewählt hatte. Das Mädchen hatte es ihm so erzählt.
    Querinia hatte es offenbar sehr eilig. Etwas Heimlichtuerisches sprach aus ihren Bewegungen, denn bisweilen wandte sie den Kopf, als wolle sie sich vergewissern, daß ihr niemand folgte. Liva wunderte sich. Das Mädchen hatte ihm viele ihrer kleinen Geheimnisse verraten. Was mochte es geben, daß sie es ganz für sich behalten wollte? Vorsichtig folgte er ihr in sicherem Abstand.
    Querinias Ziel war ein heruntergekommenes, einst stattliches Haus im Herzen der Altstadt. Sie betrat es durch den hinteren Eingang. Liva sah sie durch den kleinen Patio zu einer Tür gehen, dort klopfen und, als die Tür geöffnet wurde, geschwind im Eingang verschwinden. Er überlegte noch, ob er ihr nachgehen sollte, als ein weiterer Sklave fast auf die gleiche Art wie Querinia das Haus betrat. Zwei weitere folgten. Beim letzten erhaschte Liva einen Blick auf die Person, die die Tür geöffnet hatte, eine grobknochige Frau in Gelb und Grün.
    Das waren ganz eindeutig die Farben Hesindes. Die Bewohnerin mochte also dem hiesigen Tempel angehören oder ihm zumindest nahestehen. Doch was sollte diese Heimlichkeit? Was suchten Querinia und die anderen Sklaven bei einer Geweihten oder Akolythin der Göttin der Weisheit?
    Schlagartig fügte sich alles für Liva zusammen. Er erinnerte sich, wie er Querinias Namen in den Staub des Sklavenhofes geschrieben hatte. ›Das kenne ich, das ist mein Name‹, hatte sie dazu gesagt. Und dann: ›Ich weiß, wie man Querinia schreibt.‹ Er hatte sich damals nichts dabei gedacht, zumal er noch nicht gewußt hatte, daß Al’Anfa nicht duldete, daß seinem Sklavenheer derlei Wissen zugänglich gemacht wurde. Jetzt wußte er, was dort drinnen geschah: Bestimmt brachte die Frau den Sklaven das Lesen und Schreiben bei!
    Es war ein schlimmes Verbrechen, das schwer bestraft werden würde, sollte es jemals ruchbar werden. Liva beschloß, sein neues Wissen vorerst für sich zu behalten, und kehrte dem Haus den Rücken.
    Als er zurückgekehrt war, wurde er von Imelde wegen seiner langen Abwesenheit getadelt. Er entschuldigte sich damit, daß er sich im Gewirr des alanfanischen Häusermeers mehrmals verlaufen habe und sich oft nach dem rechten Weg habe erkundigen müssen. Zwar glaubte ihm Imelde nicht ganz, doch schien es immerhin eine Entschuldigung zu sein, die einem Sklaven abzunehmen war.
     
    Es war spät, und ein fahler Lichtfinger schien zur Tür des Sklavenquartiers herein. Einige der Bewohner schliefen bereits, davon kündete leises Atmen oder unruhiges Schnarchen, andere waren immer noch wach, wisperten und zischelten. Von nebenan war das ausdauernde Gebrüll von Galiners Neugeborenen zu hören, in der Nähe des Eingangs saß der lahme Henja und erzählte sich mit drei anderen Lügengeschichten, die regelmäßig in schallendem Lachen endeten, vom Lager Curmas kam Stöhnen, vermischt mit dem Keuchen und Schnauben Sicas. Bisweilen rief einer aus der Runde um Henja einen derben Fluch in die Nacht hinaus und kommentierte damit das Geplärr der Säuglinge. Das brachte diese nicht zum Verstummen, unterbrach aber für kurze Zeit das sägende Zirpen der Zikaden. Oder einer rief eine Bemerkung zur Köchin und ihrem Liebhaber: »Wie lang dauert’s denn noch? Geht’s denn nicht leiser? Oder soll man helfen?« Sica quittierte derlei mit meckerndem Lachen, Curma mit einer dahingerotzten

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