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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Leid zufügen.
    Erst als ich einwandte, daß ich kein Bauernjunge mehr sei, daß ich sogar schon die Insel verlassen hätte, um im Auftrage meines Herrn, des Kaufmanns, der meine Beredsamkeit und Überzeugungskraft zu schätzen wisse, in schwierigen Geschäften zu verhandeln, trat ein Schimmer der Hoffnung in ihre Augen. »Wo finde ich die Rebellen?« fragte ich erneut. »Ich werde dich hinbringen!« sagte Rahjajida dumpf entschlossen. »Auch wenn sie mich dafür in Stücke hacken!« Daziber wurde sehr still, dann sagte er leise: »Ich komme mit.« Er war bleich wie der Felsen von Tuzak und zitterte am ganzen Leib. Ich nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest: »Ich weiß, daß dir Rondra nicht das Herz eines Parders gegeben hat, Daziber, also schreite nicht auf seiner Fährte. Ich kann sehr gut allein auf meine Schwester aufpassen. Ich werde sie dir wohlbehalten zurückbringen. Außerdem wollen wir seine Entführer nicht dadurch zu einem Händel reizen, daß wir zu viele sind. Sei also tapfer genug, ohnmächtig zu warten.« Über den Jungen sagte ich nichts, da ich nicht wußte, ob er noch lebte.
    Während meine Schwester zwei Schnitter besorgte, da wir uns den Weg durch den Busch schlagen müßten, ging ich ins Haus meiner Eltern. Es war leer, vermutlich war die gesamte Familie auf den Feldern. Meinen Stab, für den flüchtigen Blick selbst eines Kundigen nur ein einfacher Wanderstab, wollte ich nicht mitführen. Ich bin ohnehin nie dazu gekommen, ihn mit den mächtigeren Zaubern zu belegen, dafür aber meine Nadel aus gutem Tuzaker Stahl. Sie ist ungefähr so lang wie mein Unterarm und kaum dicker als ein Finger. Ihre vier Kanten sind zwar scharf geschliffen, aber es ist keine Freude, damit zu schneiden, weshalb ich es möglichst vermeide. Ob ihrer Form ist sie jedoch hervorragend geeignet, durch allerlei Panzerung zu dringen und, wie ich bestätigen kann, auch durch dicken Knochen.
    »Sedu …«, kam die Stimme meiner Mutter von hinten. Ich steckte die Nadel in den Ärmel meines Gewandes und erhob mich von meinem Gepäck. Sie sagte nichts weiter, stand bloß da und betrachtete mich stumm. Sie hatte mich noch nie mit meinem Handwerkszeug gesehen. Vielleicht dachte sie dabei an ihren Vater, vielleicht auch an ihren verhaßten Großvater. Es ist zwar keine Familientradition, aber der Vater meiner Mutter gehörte ebenfalls zur Bruderschaft. Ich bin nicht ihrer Meinung, daß der Zweite Finger ihn in den Tod geschickt hat. Derlei ist nicht üblich. Meine eigenen Nachforschungen haben zwar ergeben, daß seine Aussichten sehr klein gewesen waren, jenen Auftrag lebend zu beenden, doch das hatte man vorher nicht wissen können. Ich etwa hätte seine Schwierigkeiten nicht gehabt, da mir andere Mittel zur Verfügung stehen.
    Ich beendete das Schweigen, indem ich sagte: »Sorge dich nicht, ich handle nicht blind, Mutter. Radda sagt, es seien drei Stunden Wegs bis zu dem Lager. Ich denke nicht, daß es lange dauern wird. Wenn es keine Schwierigkeiten gibt, werden wir noch vor der Nachtmitte mit dem Jungen zurück sein. Laßt mir deshalb etwas im Topf übrig, denn ich werde bestimmt hungrig sein.« Ich beeilte mich, aus der verlegenen Stille zu entkommen, die sich im Haus ausgebreitet hatte.
    Nicht drei Stunden vergingen, sondern nur zwei, bis wir auf die Aufständischen trafen, da es Rahjajida verständlicherweise sehr eilig gehabt hatte. Schon vor dem Lager der Fren’Chira Marustazzim stießen wir auf eine ihrer Patrouillen, fünf Männer und Frauen, von denen mir eine halbwegs bekannt vorkam, obwohl ich sie nicht einordnen konnte. Zwei waren mit unseren maraskanischen Holzrüstungen gewappnet, eine dritte trug den noch neuen Lederharnisch eines kaiserlichen Soldaten, selbst das Greifenwappen prangte noch darauf. Allesamt waren sie gezeichnet vom Leben und Schmutz in der Wildnis.
    »Geht zurück, Bruderschwestern«, forderte uns die Anführerin auf, »ihr könnt hier nicht weiter.«
    »Gebt mir meinen Sohn, den ihr mir geraubt habt!« verlangte meine Schwester.
    »Das verräterische Bengelchen? Er soll seine Strafe bald erhalten! Aber du kannst bekommen, was das Gewürm von ihm übrigläßt!«
    Also lebte er noch. Was das Gewürm anbelangte, so nahm ich an, daß die Rebellen vorhatten, den Jungen einzugraben, um dann einige Federn anzulocken. Das sind Tausendfüßler, etwa einen Spann lang und ziemlich giftig. Sie berühren zielstrebig die Körperöffnungen. Kein schöner Tod, falls es derlei gibt. Radda mußte das auch

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