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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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nicht ihr oder einem der Kinder etwas zugestoßen sei. Ich bin ein schlechter Heiler, meine Fähigkeiten liegen eher auf gegensätzlichem Gebiet. Ich wollte schon die Stufen zu ihrem Haus hinaufeilen, als mir meine zweite Schwester, die Schreinerin, den Weg vertrat. »Laß, Sedu, sie will allein sein!« sagte sie. Ich fragte, was geschehen sei, und erfuhr, daß einige Bewaffnete im Dorf gewesen waren und Rahjajidas ältesten Sohn fortgeschleppt hatten. Keine Kaiserlichen, sondern Maraskaner, Banditen oder Rebellen. Ich fragte, was man unternommen habe, es zu verhindern, obwohl ich die Antwort kannte. »Wir sind Bauern, Sedu«, sagte meine Schwester. Ich mußte einige Zeit auf sie einreden, bis ich an ihr vorbei und durch die bauschbespannte Schiebetür nach drinnen gelangte.
    Rahjajida ist wie alle meine Schwestern eine robuste Frau mit kräftigem Körperbau; wir Jungen ähneln eher meinem Vater. Mich schmerzte, sie klein und zusammengerollt auf ihrem Lager liegen zu sehen, die Kleidung zerrissen, was sie wohl selbst getan haben mußte, das Gesicht unter den langen Haaren versteckt, der Körper von Weinkrämpfen geschüttelt. Neben ihr saß Daziber und strich ihr hilflos über den Rücken. Er ist etwas jünger als ich und damit nur ein paar Jahre älter als Rahjajidas ältester Sprößling. Meine Schwester hat mit ihm vor drei Jahren den Kreis abgeschritten, nachdem ihr voriger Mann im Dschungel umgekommen war. Wir haben nie erfahren, was ihm zugestoßen ist, denn Rur hat es gefallen, dieses wunderbare Eiland nicht nur uns zu schenken, sondern auch fast so vielen giftigen und räuberischen Tieren und Pflanzen, wie es Dämonen im Äthrajin geben mag. Daziber ist nicht der entschlossenste Mensch von der Welt, aber ein lieber Kerl.
    Als sie mich bemerkte, wischte sich Rahjajida die Haare aus dem Gesicht und setzte sich auf. Ihre Augen waren ganz rot, ihre Wangen blutig gekratzt; das mußte sie ebenfalls selbst angerichtet haben. »Mein Muldijian ist weg«, schluchzte sie.
    »Ich weiß, Schwesterchen«, antwortete ich, »erzähl es mir.«
    Es waren tatsächlich Freischärler gewesen, die den Bengel mitgenommen hatten. Wie mir Daziber schilderte, hatte sich Muldijian seit einiger Zeit mit einem jungen Rondrageweihten angefreundet, der zwei Tagreisen entfernt in seiner Eremitage lebte und bei dem er öfter ein paar Tage blieb. Dieser Geweihte war zusätzlich ein Ritter des Tempels von Jergan. Die Ritter genießen im allgemeinen keinen guten Ruf auf Maraskan, zum einen, weil sie sich besonders tatkräftig gegen unsere Rebellen hervortun, zum anderen, weil sie es nicht lassen können, unsere Leute zu ihrem Glauben zu bekehren, manchmal auf eine Art, die meiner Meinung nach Schwester Rondra gar nicht genehm sein kann. Anderswo mögen sie Ritter in funkelnder Wehr sein, stolz, tapfer und hilfreich, aber viele scheinen diese Tugenden zu vergessen, sobald sie unsere Wälder betreten. Ich behaupte nicht, daß alle so sind, denn Raschids Onkel gehört ebenfalls dem Orden der Templer an. Ich habe ihn zwar nicht kennengelernt, doch nach allem, was Raschid erzählt, scheint er einer der großherzigsten Menschen Deres zu sein, und ich bin bereit, ihm zu glauben.
    Aus dieser Freundschaft zwischen dem Ritter und dem Jungen und weil ihnen von den Garethjas kürzlich eine Niederlage beigebracht worden war, hatten die Rebellen geschlossen, daß Muldijian sie verraten haben müsse, da die Bauern immer wissen, wo die Aufständischen ihr Lager haben.
    Ich fragte, ob der Junge der Bube des Geweihten sei. Dieser Grund schien mir näherliegender für seine Besuche als das Ausplaudern von Rebellengeheimnissen, denn obwohl ich hinsichtlich meiner rahjagefälligen Neigungen eine sehr eindeutige Vorliebe habe, ist Rur bekanntlich männlich und weiblich zugleich, und wir sind Maraskaner. Meine Schwester sagte, sie wisse es nicht. Letztlich war mir auch gleichgültig, ob der Junge bewußt etwas gesagt hatte, was er nicht hätte sagen sollen, sich einfach nur verplappert oder mit all dem nichts zu tun hatte. Er war mein Neffe. Also fragte ich, wo ich die Aufständischen finden könne, und versprach, ich würde mit ihnen reden, damit sie den Jungen wieder hergäben. Beide, sowohl meine Schwester als auch ihr Mann, meinten, daß ich damit nichts erreichen würde, denn es seien Kämpfer der Fren’Chira Marustazzim, die wegen ihrer Unnachgiebigkeit berüchtigt sind. Gewiß würden sie nicht auf einen Bauern hören, sie würden mir allenfalls selbst ein

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