Treibgut - 11
mir den Kreis abschreiten. Sie hat mittlerweile zwei Kinder, fröhliche Zwillinge, und im Grunde besuche ich sie nur noch aus Gewohnheit. Ich achte darauf, rechtzeitig zu gehen und nicht über Nacht zu bleiben, damit ich nicht unter demselben Dach schlafen muß wie der Vater ihrer Kinder, obwohl ich ihm inzwischen nicht mehr nach dem Leben trachte. Das war einst anders, damals, als sich ihr Herz von mir ab- und ihm zugewandt hatte. Selbstverständlich ahnt er nicht, daß er sein Leben nur dem Umstand verdankt, daß ich damals schon Mitglied der Bruderschaft war. Ich weiß, daß das merkwürdig klingt.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung – was man darunter auch immer verstehen mag; unsere Gäste aus Gareth glauben ja nicht einmal, daß es uns gibt – ist die Bruderschaft vom Zweiten Finger Tsas keine Gemeinschaft heimlicher Meuchler und wahllos tötender Mordbuben. Wir sind keine Zaboroniten. Die meisten Opfer meiner Aufträge bekamen durchaus mit, wer es war, der ihnen die Begegnung mit Schwester Tsa vermittelte. Zudem sind wir nicht nur Buben, sondern auch Maiden, und schließlich töten wir nicht wahllos.
Wir bemühen uns, die Zahl der Opfer klein zu halten und niemandem unnötigerweise zu seiner Wiedergeburt zu verhelfen, abgesehen von dem Ziel eines Auftrags selbst. Zwar gelingt es nicht immer so, wie man es gern hätte, doch so ist die Welt. Tatsächlich sind wir sehr zurückhaltend, was das Töten anbelangt.
Ein gern zitiertes Beispiel innerhalb der Bruderschaft ist das Ableben unserer Könige Perjin I und Perjin II. Sie verstarben beide kurz hintereinander noch im selben Mond. Dazu war es nicht nötig, ihren Palast zu stürmen oder einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Beides hätte viele das Leben gekostet. Die Beauftragung der Bruderschaft mit dieser Aufgabe hat somit sehr viel Tod und Leid verhindert, denn man möge doch nicht glauben, daß man ohne uns Vater und Sohn hätte weiterleben lassen. Man hätte sie genauso getötet, doch um welchen Preis? So traf es nur diese beiden. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich habe einst Quellenstudien betrieben und herausgefunden, daß es noch elf weitere waren. Wir haben unsere eigenen Mythen. Dennoch ist es immer noch ein schier zu vernachlässigender Blutzoll, verglichen mit dem, der bezahlt werden mußte, als die Garethjas ihren falschen Kaiser stürzten. Und dieser Umsturz galt als außerordentlich unblutig.
Um wieder auf Sefirajidas Gespons zurückzukommen: Es ist einfach unvereinbar mit der sonstigen Bedachtsamkeit unseres Vorgehens, jemandem aus einer Laune oder schierer Rachsucht heraus unsere Fertigkeiten angedeihen zu lassen. Das hat nichts damit zu tun, daß wir gewohnt sind, unsere Tätigkeit gegen Bezahlung zu verrichten. Wir sind gleichermaßen Boron und Tsa verpflichtet. Abgesehen davon hätte ich damit Sefirajidas Zuneigung kaum zurückgewonnen.
Wie ich bereits erwähnte, ist meine geschundene Heimat nicht die friedlichste aller Inseln. Wir haben unsere Korsaren, unsere Freischärler und unsere garethischen Gäste mit ihren regulären Soldaten und ihrer Scheininquisition. Als Tuzaker Adept lernt man letztere zwangsläufig kennen. Sie hält ein wachsames Auge auf die Akademie, wo man sich unauffällig verhält, weil die Erinnerung an die Verfolgungen nach der Flucht unseres Königs Frumold noch zu frisch sind.
Unsere Freischärler kämpfen entweder untereinander oder gegen die Garethjas, die Garethjas aber gegen alle. Da bleibt es nicht aus, daß man recht früh Bekanntschaft mit dem Sterben macht. Ich meine damit nicht das friedliche Dahinscheiden zu Hause, einen Unfall, Krankheit oder den Biß eines der zahllosen giftigen Tiere Maraskans, sondern das gewaltsame Töten.
Ich hatte daheim und in der gar nicht so friedlichen Fremde in den letzten Jahren genügend Gelegenheiten, Söldlinge, Kriegerinnen und andere vor ihrem ersten wirklichen Kampf zu beobachten. Ich sah solche, die sich vor Angst benäßten, andere, die fieberten, als gelte es, ihre erste Liebesnacht auszutragen. Ein wenig grotesk. Ich beobachtete sie danach, sah sie in abgrundtiefem Entsetzen über sich selbst oder schier besoffen vor Triumph. Mir war derlei stets fremd. Ich handle einfach.
Ich sprach hierüber einmal mit einem Mann aus Thalusa. Er war ein außerordentlich schöner Mensch, der sehr geschliffen zu reden verstand. Auch führte er eine gefürchtete Klinge, wie er oft genug bewiesen hat. Das Töten war für ihn ein fast heiliges Ritual geworden, er sah es als feierliche
Weitere Kostenlose Bücher