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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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sich durch diese Verschleierungsmagie zwar nicht täuschen, die Geweihten des Hesindekultes aber doch. Vermutlich könnten sie den Trug mit wenig Mühe durchschauen, aber es ist eine Sache, laut herumzukrakeelen, wie viele Taler man im Säckel hat, bevor man den Markt in Tuzak betritt, eine andere, ruhig darüber hinwegzuschlendern und erbittert um jeden Kreuzer zu feilschen und zu jammern.
    Im öffentlichen Teil der Tempelbibliothek traf ich Ishajid. Ich sah sie zum ersten Mal bewußt im Tageslicht: sehr helle Haut, dunkelbraune Haare, die besagten blauen Augen, eine schmale Nase, die sanft zu den Wangen hin abfiel wie ein flaches Zelt sowie kräftige Hände. Durchaus attraktiv war sie, jedoch hatten ihre Brauen genau jenen Schwung, von dem bekannt ist, daß er auf Launenhaftigkeit und geringe Herzlichkeit schließen läßt. Charakterzüge, die ich weder bei Brüdern noch bei Schwestern mag.
    Ich trat zu ihrem Lesepult, und trotz meiner unbedeutenden Kenntnisse der alten Sprache erkannte ich, daß sie sich mit einer Fibel des Bosparano beschäftigte. »Du hast lange gebraucht, um hierherzufinden«, begrüßte sie mich, »aber da du hier bist, weißt du ja, daß die Priesterin ebenfalls in diesen Räumen weilte.« Das wußte ich zwar nicht, wollte es allerdings nicht eingestehen. »Kannst du dir vorstellen«, fuhr sie fort, »was sie veranlaßt haben mag, die Bibliothek des Hesindetempels aufzusuchen, um Bosparano zu studieren? Sie ist mehrmals hier gewesen.« Ich verneinte und erklärte ihr, daß es mir allenfalls mit viel Schweiß und im Zustand höchster Erleuchtung möglich sei, im Lauf eines Tages ein paar Brocken dieser einstigen Kultursprache zu verstehen. Ich fragte sie, wie es mit ihren Kenntnissen darin bestellt sei. Wie sie sagte, ganz gut.
    »Morgen geht ein Schiff«, erwähnte sie. »Du wirst kaum umhinkommen, es mit mir zu teilen.«
    »Welches Schiff und wohin?«
    Sie lächelte mich an: »Ach so, das weißt du nicht? Sie nahm ein Schiff nach Norden, nach Salza in Nostria.«
    Es ärgerte mich außerordentlich, daß diese Mijran-Klette soviel mehr wußte als ich, aber ich war das Versteckspiel leid, also willigte ich ein, fürderhin gemeinsam mit ihr zu reisen. »Doch noch vor Salza ist die Stadt Nostria mein Ziel«, warf ich ein.
    »Warum?« fragte sie.
    Offenbar wußte auch sie nicht alles, stellte ich befriedigt fest und grinste wortlos. Ein kleinmütiger Triumph.
    Im Rondramond herrscht in Kuslik ein reges kulturelles Treiben. Allenthalben trifft man auf Mimen, Possenreißerinnen, Komödianten, Tänzerinnen und Barden, die im Freien, an kleinen Orten oder in großen Theatern ihre Kunst darbieten. Da ich mich selbst gern am hesindialen Treiben ergötze, sah ich mir nach Verlassen der Bibliothek, die mich nicht weitergebracht hatte, eine Vorstellung des Theaters ›Ränkesang‹ an. Sie handelte von einem reichen Stößel, der unverständlicherweise wegen einer Liebschaft von seinem Vater enterbt worden war. Statt sich nun aber mit seiner Liebsten, derentwegen ihm das schließlich widerfahren war, kräftig ins Zeug zu legen, verschwand er nach Vinsalt und wurde Tagelöhner in einer Garküche. Wie zu erwarten, stellte sich der reiche Junge entsprechend dusselig an. Unterdessen war ihm seine Geliebte Bellarita mit ihrer Freundin Selinda, einer Magistra (der im Laufe der letzten Zeit bestimmt nicht nur ein Hellsichtzauber folgenschwer mißlungen war und die darüber hinaus noch eine durch und durch falsche Person war) in Männerkleidung hinterhergereist. Es gab ein Verwirrspiel um einen Ritter Rondravio, der sich in die Bellarita verliebt hatte und den vergleichsweise selbst der gute Raschid mit kaltlächelnder Scharfzüngigkeit in Grund und Boden argumentiert hätte, sowie um eine Fischbaroneß, für die sich zwischendurch sowohl das Jüngelchen als auch ein wortkarger Kaufmann erwärmten. Zugeben, sie war keine Baroneß, sondern nur eine einfache Fischhändlerin, aber kein Fischweib würde derartig aufgetakelt herumstolzieren. Rätselhaft war mir das allgemein einsetzende Gejohle nach Butterbirnen bei ihrem ersten Auftritt – es war wohl ein Kusliker Ritus. Über diese Butterbirnen entglitt mir jedenfalls der Handlungsfaden, so daß ich nicht mehr begriff, warum plötzlich alle hinter dem Jungen her waren. Vielleicht weil seine Garküche die letzte verbliebene in Vinsalt war.
    Nun mischte auch noch ein schurkischer Weibel mit, vor dem sich alle fürchteten, selbst der Ritter, und gerade, als es so

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