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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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Frauenstimme. »Allesamt auf ein Schiff und ab nach Norden, damit sie das Geschmeiß einfängt. Aber wie wollt Ihr die hinterlistige Bande auf dasselbe Schiff bekommen? Sicher würde sich jeder ein eigenes bauen, weil sie sich nicht einigen könnten. Ich wünschte, sie wären dabei gewesen, als Salza fiel, oder noch besser, als wir es zurückbekamen. Das schreibst du nicht mit.«
    »Ich schreibe nie mit, wenn es Salza betrifft«, antwortete eine Männerstimme.
    Eine weitere Männerstimme gab Undeutliches von sich. »Auch nicht schlecht«, antwortete die Frauenstimme, »doch die Holzköpfe von Andergasten würden es selbst dann noch vermasseln, wenn man ihnen in klaren kurzen Hauptsätzen aufschriebe, wann und wo unser Geschranze ihre Grenze besichtigte … Was? Geschwätz, natürlich kann er lesen! Ich denke nicht daran, einen neuen Krieg anzuzetteln, indem ich Seiner Hohlholzigkeit Wendolyn eine Bilderdepesche schicke!«
    Die Schritte näherten sich der Biegung des Ganges. Sie gehörten einer Gruppe von drei Personen, angeführt von einer großgewachsenen Frau. Sie trug ein zweiteiliges Kleid in Violett und Blau, einen langen, fast bis zum Boden reichenden Schultermantel, auf dem Kopf eine Corna, unter der ihr langes schwarzes Haar hervorquoll, das an der Stirn eine weiße Strähne aufwies. Sie mochte Mitte Dreißig sein. Gleich neben ihr schritt ein etwa gleichaltriger Mann in schwarzem Gewand, darauf in Silber aufgenäht die Sinnbilder der Gestirne. Ein Astrologe, unverkennbar. Der dritte im Bunde war ein Goldbetreßter, etliche Jahre jünger. Er trug ein offenes Büchlein in der einen Hand, einen gezückten Silberstift in der anderen, gelegentlich machte er Notizen.
    Als die Gruppe bei Scheïjian angekommen war, blieb die Schwarzhaarige stehen, warf ihm einen gelangweilten Blick zu und sagte: »Was will er hier?« Es war eine in den Raum hinein gestellte Frage, nicht unbedingt an Scheïjian gerichtet, doch da er der einzige war, der sie beantworten konnte, erhob er sich und sprach: »Ich erwarte eine Audienz beim Prinzen.«
    »Welchem Prinz?« fragte sie.
    »Kasparbald.«
    »Ach, gibt der neuerdings auch Audienzen? Völlig falsch hier.« Sie winkte und ging eilig weiter. Nach einigen Schritten hielt sie erneut an: »Nun, kommt Ihr endlich? Wie ich sagte, werdet Ihr ihn hier nicht finden.« Sie drehte sich um und führte ihr Gefolge entschlossen weiter. Scheïjian sprang auf und hastete hinterher. Im Schlepptau dieser seltsamen Gesellschaft durcheilte er weitere Gänge und gelangte schließlich in ein großes Gemach, an dessen Wänden vergilbte Karten hingen und wo auf Schreibpulten fein säuberlich Pergamentblätter aufgeschichtet waren. Sie drückte ihrem Adjutanten – oder was immer er sein mochte – einige dieser Bogen in die Hände, verabschiedete ihn und den Astrologen mit einem knappen: »Morgen!« und verschwand hinter einem Wandschirm. Ihr Kleid flog über dessen Oberkante. »Was wollt Ihr von dem Prinzen?« fragte die Stimme dahinter.
    »Ich habe ein Geschenk für ihn und möchte mit ihm reden.«
    Ein weiteres Kleidungsstück wurde über den Paravent geschwungen. »Der Prinz weilt nicht in Nostria. Er ist im Greifenbergschen.«
    Ihre Antwort war rasch und ohne Überzeugungskraft, klang wie eine abwimmelnde Ausrede. Es schien dieser Frau nicht lohnend, sich nur die geringste Mühe zu geben, auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit in ihre Stimme zu legen.
    »Es ist dringend. Ich bin sehr weit gereist.«
    »Woher?« fragte die stets von neuem überraschend tiefe Stimme.
    »Maraskan.«
    »Das ist mittelreichisch, nicht wahr? Seid Ihr ein Bote des Fürsten? Wie heißt er noch gleich? Harwin, Helmin, na?«
    »Herdin. Nein. Ich bin der Gesandte der Hohen Schwester Milhibethjida des Rur-und-Gror-Tempels zu Tuzak.«
    Die Frau trat hinter dem Paravent hervor. Sie trug jetzt ein locker fallendes blaues Kleid mit weißen und roten Stickereien, dazu ein dünnes Schultertuch und flache Stoffschuhe.
    »Was wollt Ihr von dem Prinzen?«
    »Das möchte ich ihm selbst sagen. Wie kann ich ihn erreichen?«
    Die Schwarzhaarige betrachte Scheïjian eingehend. Sie hatte blasse Augen ohne Tiefe, die nichts von dem verrieten, was in ihr vorging, und die beunruhigenderweise nie zu blinzeln schienen. Ihr Mund verzog sich zu einem gelangweilten Lächeln. »Schade. Dann kann ich Euch auch nicht helfen, denn wie ich schon sagte, ist seine Hoheit abwesend.«
    Scheïjian bekämpfte den aufwallenden Ärger und gab nach. »Es ist

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