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Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Strudel mit ihm!« rief der Seemagier. Er trat zurück. Vier Hände packten sich den Sack, holten Schwung und beförderten ihn in hohem Bogen über die Seile.
    Irgend etwas zuckte durch das Dunkel, tiefschwarz und ohne erkennbare Form. Es entfernte sich vom Schiff und wurde von der Nacht verschluckt.
    Nadomir! Sadagar hatte die drei Ringe in den Händen und rieb sie gegeneinander, ohne zu wissen, was er tat. Er hörte das Aufklatschen des Sackes, dann nur noch das Heulen des wiederauflebenden Windes und das Rauschen des Wassers.
    Nexapottl, erscheine mir! Rette Mythors Leben!
    Aber der Königstroll kam nicht. Sadagar verfluchte sich selbst für seine Dummheit, als er Nadomir allein aus gekränkter Eitelkeit angerufen hatte.
    Aber wusste der Troll denn nicht, dass Mythor hilflos war, dem Sarmara-Strudel geopfert, nur weil er sich nicht hatte wehren können – oder wollen?
    Nexapottl! Nexapottl! Ich rufe dich bei deinem wahren Namen, den du mir anvertrautest! Ich, Feged, bitte dich, erscheine! Wenn du mir schon grollst, so rette wenigstens Mythor! Rette Mythor!
    Doch nichts geschah.
    *
    Vielleicht hatte Rachamon einen Zauber gewirkt, der den Ledersack so gut verschloss, dass keine Luftblase aus ihm perlte, als er mit Mythor unterging, von den tobenden Wassern umhergewirbelt und schließlich wieder an die Oberfläche gespült wurde. Vielleicht waren es auch nur seine geschickten Hände gewesen, die bewirkt hatten, dass der über Bord Geworfene nicht sofort starb.
    Mythor hätte nicht einmal den Kampf gegen den Tod aufgenommen. Er war unfähig, irgend etwas zu tun. Er erkannte, dass er in großer Gefahr war, doch wie eiserne Barrieren hatte sich das Grauen vor sein Denken gelegt.
    Denn eines, ein Eindruck, eine entsetzliche Furcht, überlagerte alle anderen Wahrnehmungen und Empfindungen. Das hatte ihn gelähmt, zu einer willenlosen Puppe gemacht, und das kam näher, unbarmherzig, unaufhaltsam.
    Der Schatten!
    Er war wieder da, aufgetaucht just in dem Augenblick, in dem die Bedrohung durch Oblak gebannt schien. Mythor fühlte, wie er sich ihm näherte, sah schwarze Nebel, die grässliche Klauen ausbildeten, um nach ihm zu greifen.
    Wieder riss der Strudel den Sack in sich hinein, zog ihn in die Tiefe, eine gewaltige Luftblase mit einem Menschen darin, der mehr tot als lebendig war. Doch Mythor atmete, und mit jedem Atemzug nahm er mehr von der kostbaren Luft, bis sie völlig verbraucht sein würde und er den Tod erlitt, den der Seemagier ihm zugedacht hatte – weit genug von der Gasihara entfernt.
    Die schwarzen Nebel verschwanden, kehrten zurück, lösten sich wieder auf, um sich ganz langsam um den Eingeschlossenen zusammenzuziehen – gerade so, als ob der Schatten die Qualen seines sicheren Opfers so lange wie möglich genießen wolle, als gäben sie ihm Nahrung, als wolle er nun, ganz kurz vor seinem lang ersehnten Ziel, jeden Augenblick auskosten. Mythor wurde herumgerissen, drehte sich mit dem Ledersack, schwitzte und suchte nach einem Halt.
    Dann griff der Schatten an, und endlich, als Mythor fühlte, wie etwas wütend an dem Leder zerrte, fiel der Bann von ihm ab. Es war, als erwache er aus einem ungeheuer tiefen, bösen Traum, schweißgebadet und unendlich schwach. Aber da war nicht mehr das Gefühl, hilflos einem ungreifbaren Gegner ausgesetzt zu sein. Was da am Leder riss und sich wütend Einlass zu verschaffen suchte, war etwas Körperliches.
    Mythors Sinne waren verwirrt. Er wusste nicht, wie er in diese Blase aus Luft und Leder gekommen war, aber sein Lebenswille erwachte mit ungestümer Gewalt. Er schrie und stemmte die Hände gegen die Stelle, an der der Sack sich einbeulte. In absoluter Dunkelheit begann ein Kampf, der am Ende nur einen Sieger kennen konnte. Doch Mythor wollte um jeden Herzschlag ringen, um jeden Atemzug und eher tausend Tode sterben, als erneut von dem Schatten besessen zu werden.
    Wie rasend trat der Sohn des Kometen dorthin, wo er die unsichtbaren Klauen des Bösen spürte, als könne er dadurch verhindern, dass der Schatten das Leder durchdrang.
    Dass dies noch nicht geschehen war, gab ihm eine verzweifelte Hoffnung. Er war verloren, irgendwo in den Fluten des reißenden Wassers. Niemand konnte ihm mehr helfen. Doch er selbst konnte verhindern, dass er zum willenlosen Werkzeug des Bösen wurde, einer Schwärze, geboren aus der tiefsten Finsternis der Dunkelzone. Er konnte sein Leben beenden, bevor der Schatten in ihn fuhr.
    Und als spüre der Gegner Mythors Absicht, wurden seine

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