Treibgut der Strudelsee
hielten sie für ewige Zeiten in ihren Bahnen, die immer weiter abwärts führten, immer weiter zu auf das durch Gischt und sich plötzlich bildende Wasserhosen verborgene Loch im Boden der Welt.
Rachamons Magie vermochte nichts mehr gegen den Untergang auszurichten. Keine tausend Ruder hätten die Gasihara wieder aus dem Strudel herausbringen können. Dennoch drohte der Magier jedem mit Peitschenschlägen, der versuchte, die Ruderer loszubinden oder jene, die nun unter Deck eingeschlossen waren, zu befreien. Rachamon hatte Kisten auf die Treppenklappe stellen lassen. Manch einer der Seefahrer, die nun allein mit dem Magier an Deck waren, hatte ihn verständnislos angeblickt. Doch keiner der Männer wagte, gegen ihn aufzubegehren. Obwohl sie sahen, dass seine Magie auch jetzt, da Oblak und Mythor über Bord geworfen worden waren, keine Wirkung zeigte, klammerten sich ihre letzten verzweifelten Hoffnungen doch an ihn.
Nur Jejed war zu Golad und Farina in den Aufbau gebracht worden. Bei aller kreatürlichen Angst der Mannschaft konnte es Rachamon doch nicht wagen, auch ihn unter Deck zu sperren. Zwar hingen die Herzen der Männer an ihrem Kapitän, doch nach wie vor war der Morone geistig verwirrt. Er bedeutete keine Gefahr für Rachamon, ebenso wenig wie die beiden Liebenden, die offenbar mit dem Leben abgeschlossen hatten.
Rachamon beeindruckte die Seefahrer weiterhin durch magische Gesten und allerlei wertlose Zaubereien. Mit unbewegtem Gesicht stand er im Heck des Schiffes, sah die ängstlichen Blicke der Mannschaft auf sich ruhen und gab sich den Stimmen hin, die seit einer Weile in ihm waren.
Zunächst hatte er geglaubt, die Geister, die Oblak erfüllten, hätten von ihm Besitz ergriffen, als sie Oblaks Körper in den Fluten verlassen mussten. Nach dem ersten Entsetzen aber begriff der Magier, dass etwas anderes geschehen war.
Die Geister der ertrunkenen Seeleute, so ging die Sage, lebten nur in ganz bestimmten Teilen der Strudelsee, eben dort, wo Oblak zum erstenmal über Bord gegangen war. Und nur selten zeigten sie sich. Sie konnten diese Zone nicht verlassen. Oblak hätte versucht, nachdem alle an Bord in seiner Gewalt gewesen wären, die Gasihara dorthin zurückzusteuern, damit die Untoten neue Nahrung bekamen, Lebenskraft, die sie den Ertrinkenden entzogen, um sich selbst damit zu stärken und für weitere hundert, vielleicht tausend Jahre existieren zu können.
Hier, im Sarmara-Strudel, gab es sie nicht. Dies war ein weiterer Beweis dafür, dass nicht Oblak am Verhängnis schuld gewesen war – wenigstens nicht allein. Rachamon glaubte inzwischen fest daran, dass der unheimliche Schatten, der dem Krieger in den Tod gefolgt war, das Schiff in den Strudel gebracht hatte.
Aber auch der war fort, und was der Magier nun leise wispernd vernahm, mussten die Stimmen der Verheißung selbst sein – der Verheißung ewigen Glücks und neuen Lebens jenseits der Schranke des Todes.
Sie waren in ihm, und sie lockten… lockten…
Rachamon war längst entschlossen, ihrem Ruf zu folgen, sich das zu nehmen, was ihm sein kranker Geist vorgaukelte.
Denn was von Rachamon Besitz ergriffen hatte, war schlimmer als die Verwirrung des Kapitäns. Rachamon wollte Macht. Das Versagen seiner Magie hatte ihn innerlich zerbrechen lassen, wenn er dies auch nie gezeigt hatte. Dort, im Zentrum des Strudels, lag eine unermessliche Macht, die Macht der Schöpfung selbst. Er würde sie teilen, vielleicht mit einigen anderen, doch das Schicksal der Legionäre kümmerte ihn nicht. Wer waren sie schon, dass er sich ihretwegen Gedanken machen sollte?
So wirr des Magiers Gedanken auch waren – seine Ausstrahlung auf die Mannschaft wuchs noch. Und so sollte das Verhängnis seinen bitteren Lauf nehmen.
*
»Hört endlich auf! Wir sterben so oder so!« Ein Mann schrie es, einer von mehr als zwanzig Dutzend. Die Worte hallten dumpf von den geteerten Wänden wider und ließen für die Dauer weniger Herzschläge das Weinen der Kinder verstummen. Nur das Mahlen und Kreischen der See war zu hören.
Dann stand Yellen auf und brüllte in die Richtung des Rufers: »Du hast recht, Kerl! Wir werden sterben, aber es gibt eine Menge unter uns, die das in Würde tun wollen, die um den letzten Atemzug kämpfen und nicht ersäuft werden wollen wie Ratten!«
»Wer sagt denn, dass wir untergehen?« kam es von anderswo. »Warum hat der verfluchte Magier den Treppenaufgang verbarrikadieren lassen? Ich sage euch, er bringt uns zurück nach Sarphand auf
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