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Treibgut der Strudelsee

Treibgut der Strudelsee

Titel: Treibgut der Strudelsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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zuckten bei jedem Laut zusammen und schrien auf, wenn sie eine Bewegung vor sich zu erkennen glaubten. Die Schatten wurden lebendig. Das Unheimliche schlich sich in die Seelen der Männer. Überall konnte der Tod lauern, hinter jedem Balken und auf den Ruderbänken, auf denen es seltsam still geworden war.
    *
    Mythor versuchte verzweifelt, wenigstens die Hand mit dem Messer zu heben, obwohl er nicht daran glaubte, dass er Oblak mit der Waffe etwas anhaben könne. Aber auch der rechte Arm gehorchte ihm nicht. Der Untote holte weit aus, Jejeds schlaffen Körper auf den Armen. Mythor schloss die Augen, um nicht sehen zu müssen, wie der Morone über Bord ging. Er wartete auf das Klatschen. Aber es blieb aus.
    Er öffnete die Augen und sah Oblak immer noch in der gleichen Haltung wie zuvor. Und als ob etwas den Bann, unter dem er gestanden hatte, auf den Untoten übertragen hätte, konnte er sich plötzlich wieder bewegen. Eine seltsame Wärme breitete sich über seinen Körper aus, trotz der klirrenden Kälte der Nacht.
    Mythor umklammerte den Griff des Messers und schlich sich von hinten an. Er stand zwei Schritte hinter Oblak, als er sah, dass die Augen des Kapitäns weit aufgerissen waren. Rotes Feuer spiegelte sich in ihnen.
    »Oblak!« stieß der Morone heiser aus. Das Sprechen musste ihm unbeschreibliche Qualen bereiten. »Oblak, was… tust du?«
    Da begriff Mythor, dass Jejed im letzten Moment wieder zu sich gekommen war und dass dies etwas in Oblak wachgerufen hatte, was vielleicht noch tief in seiner ausgebrannten Seele geschlummert hatte. Welche Bande hatte diese beiden Männer zusammengeschmiedet? Offensichtlich wollte der Untote Jejed ein grausames Schicksal ersparen, indem er ihn über Bord des Schiffes warf, das er sich Untertan zu machen gedachte. Aber warum?
    Mythor drängte alle Fragen zurück. Oblak war es nun, der wie gelähmt am Rand des Schiffsdecks stand. Diese vielleicht nie wiederkehrende Schwäche galt es zu nutzen.
    Mythor schnellte sich vor, riss den Untoten herum, griff blitzschnell nach Jejed und legte den Kapitän, der noch keine Kraft in den Gliedern hatte, hinter sich auf die Bohlen. Ebenso schnell fuhr er wieder hoch und stand für die Dauer eines Herzschlags Angesicht in Angesicht Oblak gegenüber.
    Das Feuer in dessen Augen war erloschen, doch schon glomm ein neuer Funke darin auf. Mythor dachte nicht daran, sich noch einmal von dem, was in ihnen wohnte, in den Bann schlagen zu lassen.
    Oblak sah die Entschlossenheit in seinem Gesicht und wich zurück. Mythor setzte nach, bekam ihn am Arm zu fassen und setzte ihm die Spitze des Messers an den Hals.
    Und Oblak fing sich. Ein heiseres Lachen entrang sich seiner Kehle. »Glaubst du wirklich, mich damit töten zu können, Krieger?« höhnte er. Bevor Mythor das Messer zurückziehen konnte, stieß der Kopf des Seefahrers vor, und die Klinge bohrte sich tief in seinen Hals. Lachend ruckte Oblak hin und her, dass der Stahl kreuz und quer durch das Fleisch schnitt. Aber kein einziger Tropfen Blut quoll hervor, lief an der Klinge entlang. Ganz kurz nur sah Mythor winzige rote Lichter, wie Funkenflug, die im Körper des Unglückseligen wühlten.
    Er zog den Arm zurück. Aus den Augenwinkeln heraus gewahrte er eine Bewegung.
    »Ich bin’s, Sadagar«, hörte er. »Ich… komme dir zu Hilfe, Mythor. Ich habe meine Messer.«
    »Sie sind wertlos! Sieh ihn nicht an, nicht in sein Gesicht!«
    Oblak wich nicht länger zurück. Die unheimliche Glut in seinen Augen schien Mythor abermals in ihren Bann schlagen zu wollen. Doch diesmal war der Sohn des Kometen vorbereitet.
    Er wich blitzschnell zur Seite, als Oblak sich auf ihn zu schnellte. Der Untote rutschte auf der Eisschicht aus, drehte sich mit der Geschmeidigkeit einer Katze noch im Fallen und war auf den Beinen, bevor Mythor bis drei zählen konnte.
    Bebend fauchte Oblak: »Die hungrigen Seelen werden euch alle bekommen, außer Jejed! Und du machst den Anfang, mein Freund!«
    Er stürzte vor und bekam Mythor zu fassen. Wie Schraubstöcke schlangen sich seine Arme um den Leib des Kriegers. Mythor hatte alle Mühe, sich auf den glatten Decksplanken auf den Füßen zu halten.
    Er spürte die kalten Hände des Untoten unter dem Wams, wie sie ihn fortzerren wollten. Beide Fäuste ließ er auf den Nacken des Rasenden herabsausen. Ein Hüne wäre unter diesem Schlag zusammengebrochen. Oblak jedoch lachte nur.
    Mit übermenschlichen Kräften zerrte er Mythor mit sich. Der bekam keine Luft mehr. Grelle

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