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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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Beobachter sieht dann nicht mehr die Sache selbst, sondern das Bild, das in seiner Seele aufgetaucht ist«, dozierte Bruno. »Vielleicht sollte ich es mal an einem Beispiel verdeutlichen«, fügte er hinzu, als er Hennings ungläubige Miene sah.
    Der zu diesem Zweck von ihm herangezogene Fall hatte sich vor einigen Jahren zugetragen. Es ging dabei um ein zwölfjähriges Mädchen. Es galt als vermisst und wurde ertrunken aus der Elbe gefischt. Das Kind wurde von einem Dutzend ihm nahestehender Zeugen identifiziert.
    Vor so übereinstimmenden Aussagen schwand auch der leiseste Zweifel des Untersuchungsrichters. Er ließ den Totenschein ausfertigen. In dem Augenblick aber, da man sich zur Beerdigung anschickte, tauchte die Zwölfjährige plötzlich quicklebendig wieder auf und hatte kaum eine entfernte Ähnlichkeit mit der ertrunkenen Kleinen. Was ich damit sagen will«, kam Bruno auf den Ausgangspunkt seiner Überlegungen zurück, »ist, dass die Behauptung des ersten Zeugen zur Beeinflussung aller anderen genügt. Wofür sich euer Fall geradezu als Paradebeispiel anbietet.«
    »Soll das heißen, Elena könnte uns manipuliert haben?«, entrüstete sich Henning.
    »Blödsinn!«, widersprach Bruno. »Wer redet denn von Manipulation?« Er hielt kurz inne. »Werft doch bitte noch mal einen Blick auf die Fotografie. Was springt euch dabei zuerst ins Auge?«
    »Ist es das Muttermal? Ist es das, worauf du anspielst? Glaubst du, wir könnten es losgelöst von allem anderen als Beweis dafür angesehen haben, dass es sich bei den beiden Mädchen um ein und dasselbe Kind handelt?«
    Bruno überging Leonas Kommentar mit einem nachsichtigen Lächeln: »Ganz so krass würde ich es nicht ausdrücken.«
    »Sondern?«
    »Es bestärkt mich vielmehr darin, dass wir es hier mit einem klassischen Fall von Täuschung in Verbindung mit Realitätsverlust zu tun haben.«
    »Demnach hat dich die DVD also nicht überzeugt?«, schlussfolgerte Henning.
    »Nicht wirklich, nein.«
    »Dann frage ich mich, weshalb du uns helfen willst.«
    »Weshalb? Vielleicht weil ich glaube, dass Frau Dierks trotz allem recht haben könnte«, gab er zur Überraschung der anderen zurück.
    »Ja, aber …«
    Statt sich in komplizierten Erklärungen zu ergehen, deutete Bruno auf Elenas am Unglückstag aufgenommene Bilder. In die plötzlich entstandene Stille hinein sagte er, die Aufnahmen, und vor allem der Schatten darauf, seien für ihn das ausschlaggebende Indiz gewesen, daran zu glauben, Lea könnte noch am Leben sein. Der Schatten – es musste noch jemand anwesend gewesen sein … Jemand, der Lea aus dem Kinderwagen genommen und entführt hat.
    Während er Leona Wein nachschenkte, räumte er ein, dass er sich bei alledem durchaus darüber im Klaren sei, dass die DVD den Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht habe. Nur gebe es eben keinen Beweis, dass es sich bei dem Kind tatsächlich um Lea handelte. Dennoch hielt er es für möglich, dass Lea noch lebte. »Man muss sich das nur mal vorstellen«, fügte er kopfschüttelnd hinzu: »du glaubst, dein Kind ist tot und dann das …«
    Bruno schwieg, um die Reaktion seiner Worte abzuwarten.
    »Also …, nun ja, von dieser Warte aus, habe ich das Ganze bislang noch gar nicht betrachtet«, musste ihm Henning recht geben.
    »Womit wir wieder mal bei der Frage nach dem Täter respektive dem Motiv angelangt sein dürften«, konstatierte Leona. »Ich meine, welchen Unterschied macht es schon, ob wir Lea über diese DVD oder anhand der Fotos ausfindig machen.«
    Sie fuhr sich mit einer müden Geste über die Augen. »Viel wichtiger ist es doch, dass wir uns darin einig sind, dass sie lebt.«
    »Da können wir erst sicher sein, wenn wir sie gefunden haben. Was unter den gegebenen Umständen gar nicht so einfach sein dürfte«, gab Bruno zu bedenken. »Oder hat jemand eine Idee?«
    »Wie wär’s mit einem Täterprofil?«, schlug Henning vor.
    »Auf welcher Basis? Wir wissen schließlich nichts über den Täter oder die Täterin«, widersprach Bruno.
    »Sekunde mal!«, fiel ihm Leona ins Wort. »Hab ich das jetzt richtig verstanden? Du ziehst eine Täterin in Betracht?«
    »Ich wüsste nicht, was dagegenspricht. Im Gegenteil: Mein Gefühl sagt mir, dass wir es hier mit einer Beziehungskiste zu tun haben.«
    »Na, das grenzt den Kreis der Verdächtigen doch erheblich ein »Und es bestätigt meinen Verdacht gegen Danko Dierks.«
    »Vielleicht hast du ja recht. Aber wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, uns auf einen

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