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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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haben«, ergänzte Bruno, ungeachtet der ins Spiel gebrachten Namen.
    »Stimmt, daran hab ich auch schon gedacht«, pflichtet ihm Leona bei. »Weißt du, ob Astrid einen Führerschein hat?« Sie sah Henning fragend an.
    »Keine Ahnung, aber ich werd mich darum kümmern.«
    »So kommen wir nicht weiter«, versuchte Bruno ihren wild wuchernden Spekulationen einen Riegel vorzuschieben. »Findet lieber erst mal heraus, ob Astrid und Danko sich überhaupt kannten. Ich meine, nur weil sie ein Motiv haben, muss das noch lange nicht bedeuten, dass …«
    »… dass wir mit unserer Vermutung richtigliegen«, vollendete Henning den Satz.
    »Zumal es auch Rufus Kirchner oder ganz jemand anderes gewesen sein könnte. Jemand«, ergänzte Bruno, »der bislang noch gar nicht auf unserem Radar ist.«
    »Weil du gerade von Rufus Kirchner sprichst: Habt ihr euch schon mal gefragt, weshalb er sich etwas derart Abartiges ausgedacht haben sollte?«, erkundigte sich Henning, nur um gleich hinterherzuschicken, dass er das nicht etwa frage, weil er ihn für unschuldig halte, sondern weil ihm bis heute kein plausibles Motiv einfallen wolle. »Ich meine, was spricht dafür, dass er es gewesen ist?«
    »Vielleicht hat er Angst gekriegt, als er von Elenas Schwangerschaft erfuhr, sie könnte hinter sein Verhältnis kommen und sich von ihm trennen, weshalb er sich den Plan mit seinem vorgetäuschten Tod hat einfallen lassen. Schließlich waren die beiden nicht verheiratet. Schätze mal, das hätte ihn im Falle eines Sorgerechtstreites ganz schön alt aussehen lassen. Wäre immerhin ein denkbarer Ansatz, oder?«, schlug Leona ohne rechte Überzeugung vor.
    »Bei dem wir es für heute erst einmal bewenden lassen sollten«, befand Bruno, als er in die vor lauter Müdigkeit ganz grauen Gesichter seiner Gäste sah.«

21
     
     
    In dieser Nacht träumte Henning. Er stand inmitten einer Wiese, auf der Gänseblümchen blühten und Bienen summten. Während die Sonne warm auf ihn herabschien, sah er von ferne eine blondgelockte Frau auf sich zukommen. Sie führte ein kleines Mädchen an ihrer Hand, dessen Gesicht von der Hitze gerötet war. Die beiden scherzten und lachten miteinander. Als sie sich Henning bis auf wenige Schritte genähert hatten, glaubte er, in dem Kind Lea und in ihrer Begleiterin Astrid Schulz zu erkennen. Obwohl er die beiden nie gesehen hatte, erschien ihm ein Irrtum ausgeschlossen. Noch während er sich der Bedeutung seiner Entdeckung klar zu werden versuchte, schob sich eine dunkle Wolke vor die Sonne. Die gerade noch unbeschwerte Stimmung war wie weggeblasen.
    Plötzlich stand Elena neben ihm. Ihre Nähe verwirrte ihn. Umso mehr, weil sie so dicht an ihn herangerückt war, dass er das Gefühl hatte, ein Teil von ihr zu sein. Fast so, als ob er sie wäre, als ob er sähe, was sie sah, und obendrein auch noch ihre Gedanken lesen könnte.
    Woher sonst hätte er wissen sollen, was sie in diesem Moment dachte und empfand.
    Ihre Gefühle waren durch den Anblick ihrer Tochter in Aufruhr geraten und glichen einem kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkan. Nur eine Streichholzlänge davon entfernt, sich wie ein verheerender Flächenbrand vom kleinen Zeh bis in die äußersten Haarspitzen auszubreiten. In seinen fieberhaften Bemühungen, das über ihren Köpfen schwebende Unheil abzuwenden, ertappte sich Henning dabei, wie er auf Lea zuflog, sie in die Arme schoss und lachend herumwirbelte. »Komm zu deiner Mami! Komm her zu mir, mein Schatz!«
    Die ihm von Elena in den Mund gelegten Worte enthielten so viel verborgene Sehnsucht, dass es ihm die Kehle zuschnürte.
    Das Gesicht in dem schwach nach Wiesenkräutern duftenden Haar des Kindes vergraben, wurde er von einem unkontrollierten Weinkrampf geschüttelt. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Lea seinem Drängen nachgeben und ihre Ärmchen um ihn schlingen. Doch dann versteifte sich ihr Körper.
    »Nein, nicht!« Sie stieß ihn von sich. »Lass mich! Geh weg! Du bist nicht meine Mami! Dass da«, hörte Henning sie wie von Sinnen brüllen, »ist meine Mami!«
    Während sich ihr Geschrei durch seinen Gehörgang fraß, begann sich die Welt um ihn herum zu drehen. Er fühlte sich, als befände er sich mitten im freien Fall. Er wusste nicht, wie lange er noch fallen würde, und er wusste nicht, wie er landen würde. Ob weich – oder ob ihn ihre Worte zerschmettern würden. Gleichzeitig verspürte er eine endlose Leere in seinem Bauch. Ein Gefühl völliger Sinnlosigkeit, als wäre

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