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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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er die vorbeiziehende Landschaft betrachtete.
    Mittlerweile waren sie in der Nähe von Pistoia angelangt, einer historischen Handelsstadt an der Via Cassia. Der sich ihnen bietende Blick war von Zypressenalleen, zauberhaften alten Weingütern und unzähligen Olivenhainen geprägt. Ein paar Kilometer weiter führte sie eine durch die Ortschaft San Baronto verlaufende Straße in die Berge hinauf auf den Gipfel des Montefiore. Jenes Berges, auf dem Bruno zu Hause war.
    Eine kurz vor dem idyllisch gelegenen Dorf Prociano abzweigende Straße brachte sie an ihr Ziel: Ein altes, von wildem Wein bewachsenes Haus, in dessen Garten Olivenbäume, Lavendel- und Salbeibüsche wucherten und in dem es wohl das ganze Jahr über nach Rosmarin duftete. Eingebettet in eine wunderschöne Hügellandschaft bot es einen atemberaubenden Ausblick auf die Gegend Chianti Montalbano.
    Kaum waren sie ausgestiegen, kam ihnen ein Mann entgegengeeilt. Sicher Bruno, nahm Henning an.
    Er schätzte ihn auf sein eigenes Alter, vielleicht ein paar Jahre jünger. Bruno überragte ihn um mindestens zwei Kopflängen, hatte tiefe Falten auf der Stirn, dicke Tränensäcke unter den Augen und silberne Stoppeln am Kinn. Etwas Schwermütiges lag in seinem Gesichtsausdruck. Die ihm verbliebenen Haare waren ergraut und standen in einem starken Kontrast zu seinen buschigen Augenbrauen, die für diejenigen von Theo Waigel als Vorbild gedient haben könnten.
    »Schön, dass ihr da seid«, begrüßte Bruno sie. Väterlich nahm er Leona in den Arm.
    Danach reichten die beiden Männer einander die Hand, wobei Henning Bruno in seiner unkomplizierten Art sogleich das Du anbot. Seinem Lächeln nach zu urteilen, schien Henning ihm willkommen zu sein.
    Als sie kurz darauf das Haus betraten, stieg ihnen der Geruch von geschmolzenem Käse, Peperoni, Salami und scharfer Tomatensoße in die Nase. Bruno hatte eine Pizza kreiert, die jedem Italiener zur Ehre gereicht hätte.
    Nach dem Essen luden sie ihr Gepäck aus und brachten es in die Gästezimmer. Danach traf man sich zu einem kleinen Umtrunk.
    Der Wintergarten bot die ideale Kulisse: Flache Keramiklampen tauchten eine von exotischen Pflanzen umrahmte Sitzgruppe in ein schummriges Licht und schufen eine gemütliche Atmosphäre. Während Henning mit einem Glas Wasser vorliebnahm, stießen die beiden anderen mit Chianti auf ihr Wiedersehen an.
    Dabei entspann sich rasch eine anregende Unterhaltung über das Leben in Italien. Irgendwann entschied Bruno, dass es genug der Vorrede sei. »Ihr seid schließlich nicht von so weit her gekommen, um mit einem alten Kauz wie mir Konservation zu betreiben. Also, lasst hören, worum es geht.«
    Als Henning seinen Bericht beendet hatte, herrschte für einen Moment Schweigen.
    Bruno, der sich die ganze Zeit über fleißig Notizen gemacht hatte, sah auf einmal sehr ernst aus. Seine Augen wirkten müde und die bis eben noch zur Schau gestellte Selbstsicherheit war verschwunden. Wie um etwas zu haben, woran er sich festhalten konnte, griff er nach seinem Weinglas und leerte es mit einem einzigen großen Schluck. »Sieht ganz danach aus, als hätten wir eine Menge Arbeit vor uns«, sagte er, während er nach der Flasche griff und sich einschenkte.
    Henning war erleichtert über Brunos Reaktion. »Dann können wir auf deine Hilfe zählen?«
    »Na hör mal! Was hast du denn gedacht? Ist allerdings eine ziemlich abenteuerliche Geschichte.« Er rieb sich nachdenklich das Kinn.
    »Der Meinung war ich zuerst auch«, sagte Henning. »Aber als ich dann die DVD sah, da …«
    »Genau!«, unterbrach ihn Bruno. »Genau das ist doch der springende Punkt.« Bevor Henning etwas erwidern konnte, griff er sich die zwischen den Fotos vom Unfallort liegende DVD und verschwand damit in Richtung einer mit DVD-Player ausgestatteten TV-Anlage.
    Nachdem er sich die Aufnahme mehrmals angesehen hatte, spulte er zu der Stelle zurück, an der das kleine Mädchen zu sehen war. Während sein Blick zwischen dem Foto von Elenas Tochter Lea, das Henning ihm gegeben hatte, und dem verwischten Standbild hin- und herglitt, entstand eine steile Falte auf seiner Stirn.
    »Nun sag schon, was du davon hältst«, platzte Henning heraus.
    Statt einer Antwort zuckte Bruno mit den Schultern.
    »Dann hast du also keinerlei Ähnlichkeit feststellen können?«
    »Schon. Nur ist das noch lange kein Beweis.«
    »Ja, aber …«
    »Kein aber! Ich glaube, Frau Dierks hat sich schlicht und einfach getäuscht, was diese DVD betrifft. Der

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