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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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und trank in gierigen Schlucken, ehe sie klarstellte: »Ich habe die Nacht in der Scheune verbracht, die an die Pension angrenzt.«
    Sie erhob sich zitternd. »Es wird dunkel und mir ist kalt. Bringen Sie mich …« Sie brach ab, als ihr bewusst wurde, dass sie beinahe ›nach Hause‹ gesagt hätte, aber ein Zuhause gab es für sie nicht mehr, seit Lea verschwunden war.

23
     
     
    Sobald er Elena in der Klinik abgeliefert hatte, war Henning auf direktem Weg nach Hause gefahren. Die vergangenen Stunden hatten ihn seine letzte Kraft gekostet. Er sehnte sich nur noch nach einer heißen Dusche, einer Kleinigkeit zu essen und seinem Bett.
    Nachdem er am nächsten Tag bei Marlies und Wilhelm vorbeigeschaut und sich davon überzeugt hatte, dass sich Peer auf dem Weg der Besserung befand, war er nach Netzschkau zurückgefahren, um sich mit Feuereifer in die Arbeit zu stürzen.
    Bruno hatte versprochen, sich bei ihm zu melden, sobald es Neuigkeiten gab. Um nicht untätig herumzusitzen, beschloss Henning, der Plauener Spielbank einen Besuch abzustatten. Sie befand sich im Oberen Steinweg, in den Räumen eines am Altmarkt gelegenen Eckgebäudes.
    Als er am frühen Abend dort eintraf, drang gedämpftes Lachen an sein Ohr. Gleichzeitig schien es ihm, als ob ein erwartungsvolles Knistern in der Luft liegen würde: Eine durch gebündelte Konzentration erzeugte und von hoher Erwartung angeheizte Spannung.
    Nachdem Henning einen Teil seines Bargeldes in Jetons getauscht hatte, setzte er sich an die Bar, wo er bei einer Tasse Kaffee und einem Glas Wasser das Spielgeschehen verfolgte. Seiner Schätzung nach waren an die 30 Leute anwesend. Hauptsächlich Männer, von denen sich ein Großteil um die Spieltische drängte. Der Rest belagerte die Automaten. Die von festen Regeln bestimmten Abläufe gaben Henning das Gefühl, sich in einem streng abgeschotteten Mikrokosmos zu befinden: In einer jenseits der Realität existierenden Welt, in der jeder nur mit sich und seinem Glück oder auch Unglück beschäftigt zu sein schien.
    »Darf es noch etwas sein?«, riss ihn der Barkeeper aus seinen Gedanken.
    »Erst mal nicht«, meinte Henning mit Blick auf sein leeres Wasserglas. Er war schließlich nicht hier, um den Umsatz der Mineralwasserkonzerne zu steigern, sondern um einen Fall zu lösen. Außerdem drückte seine Blase.
    Nachdem er, von der Toilette zurück, eine Weile zwischen den Spieltischen hin und her gewandert war, nahm er mit einem flüchtigen Gruß in die Runde an einem der Roulettetische Platz, bevor ihn sein schwindender Mut wieder verlassen konnte. Mit der Aufforderung: »Faites vos jeux!« – Machen Sie Ihr Spiel! – wurde er empfangen.
    Henning griff nach einem der Jetons und ließ ihn durch seine vor Aufregung feuchten Finger gleiten. Auf welches Feld sollte er setzen? Rouge oder Noir? Gerade oder ungerade? Sein Wahl fiel auf schwarz. Bloß kein Risiko eingehen, ermahnte er sich. Der Abend war noch lang und seine Neugierde nicht annähernd befriedigt. Die Jetons klimperten, als sie auf dem grünen Filz des Tableaus hin und her geschoben wurden. Henning versuchte in den Gesichtern der Männer und Frauen zu lesen, die um den Spieltisch versammelt waren. Doch alles, was er sah, waren starr blickende Augenpaare, die wie gebannt dem Lauf der Kugel folgten. Je langsamer sie wurde, desto höher stieg die Spannung. Bis nach langem, wie in Zeitlupe ertönendem Klackklack die Gewissheit im Raum stand. Henning glaubte, auf dem Gesicht einer auffällig geschminkten Blondine ein verhaltenes Lächeln zu erkennen, wohingegen sich auf anderen Enttäuschung breitmachte. Dessen ungeachtet begann schon bald ein neuer Plan vom Glück.
    Unversehens wanderten seine Gedanken zu Danko Dierks. Henning versuchte, ihn sich in dieser Umgebung vorzustellen. Ob seine Gewinnkurve wohl immer nach demselben Muster verlaufen war? Zunächst eine Glückssträhne. Doch bevor er sich zum Aufhören entschließen kann, wendet sich das Blatt. Und Verluste, erst einzeln, dann gehäuft, zehren nicht nur seinen Gewinn auf, sondern seinen kompletten Einsatz.
    In seine Überlegungen hinein rief ihm die monotone Stimme des Croupièrs in Erinnerung, weshalb er hier war. Bestimmt nicht, um noch mehr Geld in den Sand zu setzen. Rien ne va plus. Aus und vorbei. Basta! Mit einem unverbindlichen Nicken in die Runde ließ er die verbliebenen Jetons in die Tasche seines Jacketts gleiten und ging zur Bar zurück.
    Als der Barkeeper das bestellte Wasser über den Tresen schob,

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