Treibhaus der Träume
Salz, Baronessa?«
»Pfui, wie fade das wäre.«
»Amore! Das klingt wie Meeresrauschen.«
»Ich höre das Rauschen«, sagte die Baronin verzückt.
»Das ist Ihr Blut, Baronessa! Ihr wildes Blut. O Vulcano ist in mir. In mir donnert der Vesuv …«
»Lassen Sie ihn ausbrechen, Maestro. Ich liebe Naturereignisse …«
Am nächsten Tag war der Vesuv erloschen.
Luisa Baronin v. Durrhaus wurde abgeholt. Ein großer Wagen fuhr vor. Ihm entstieg ein großer, grauhaariger Mann, den die Baronin stürmisch umarmte und mit Henry anredete.
»Du siehst bezaubernd aus, meine Beste«, sagte Henry und reichte der Baronin seinen Arm. »Ein Jungbrunnen ist diese Klinik, fürwahr. Darf ich meinen Antrag zum neunzehnten Male wiederholen: Willst du meine Frau werden?«
»Du darfst.« Luisa v. Durrhaus lachte wie ein junges Mädchen. »Henry, komm ins Haus. Ich will dich dem Doktor vorstellen.«
Am Nachmittag gab Dino Valenti ein Abschiedskonzert. Schwester Frieda, die gut Klavier spielen konnte, begleitete ihn. Im großen Speisesaal saßen die Patienten wie zu einer Galavorstellung. Sie trugen festliche Abendkleidung. Auch der Mann, der sich ›Graf‹ nannte, war zugegen; ganz hinten saß er an der Wand. Vor sein Gesicht hatte er ein weißes Tuch gebunden. Er wollte nicht sehen, er wollte hören.
Valenti spielte wie ein Gott. Er wurde eins mit seiner Geige. Lorentzen kam es vor, als habe er nie süßere Töne gehört als an diesem kurzen Nachmittag, an dem der große Valenti einen kleinen Teil des Dankes und seine tiefe Freude, sein Glück, seine Ergriffenheit abspielte.
Jeder schien dies zu spüren. Niemand klatschte nach diesem Konzert Beifall. Man erhob sich und ging still, versunken, den Klang der Wundergeige noch im Ohr, auf sein Zimmer. Valenti weinte nach dem Konzert im Zimmer Lorentzens, als er sich verabschiedete. Er umarmte den Arzt, küßte ihn auf beide Wangen und nannte ihn seinen Bruder. Dann eilte er aus dem Zimmer, überwältigt von seiner Dankbarkeit.
Dicki konnte sich nicht drücken; er mußte die Koffer der Baronin zu dem großen Wagen tragen. Dort kommandierte ihn der Chauffeur herum, ein hochnäsiger Flegel, wie Dicki feststellte, dem er am liebsten einen Tritt versetzt hätte. Dann kam die Baronin, untergefaßt bei dem Mann, der Henry hieß. Sie trug ein enges Kleid und hochhackige Schuhe, ein Anblick, der Dicki den Atem nahm. Er dachte an die Nächte auf dem Luftkissen und zog seufzend die Mütze.
»Danke, mein Lieber!« sagte Luisa v. Durrhaus kühl und ließ ein Fünfmarkstück in die Mütze fallen. Dann stieg sie ein, und Dicki hielt zitternd die Tür auf und wußte nicht, ob er lostoben oder ganz still sein sollte.
»Wer ist das?« hörte er den Mann, der Henry hieß, fragen.
»Der Gärtner, Liebster.« Die Baronin sah geradeaus. »Er brachte mir ab und zu frische Blumen aufs Zimmer.«
»Das war brav von Ihnen.« Der Mann warf Dicki noch ein Fünfmarkstück zu und tippte dann dem Chauffeur auf die Schulter. Fast lautlos fuhr der Wagen an und hüllte Dicki in eine dichte Staubwolke.
Da stand er nun, Adam Czschisczinski, die Mütze in der Hand, bedacht mit zwei Münzen wie ein Bettelmann, umweht vom Staub, und starrte dem Wagen nach, der sein großes Erlebnis für immer wegtrug. Es würgte ihn im, Hals. Dann überkam ihn die große Wut, er warf die Fünfmarkstücke in die Hecke und stampfte ins Haus zurück.
Zwei Stunden später aber kroch er auf der Wiese herum und suchte das Geld. Zehn Mark sind zehn Mark und eine Flasche Kognak wert. Und Kognak brauchte Dicki heute ganz bestimmt.
Am Abend machte sich Dicki fein, um an der Polonaise vor Zimmer 4 der Schönheitsfarm teilzunehmen. Er badete sich, rasierte sich, spritzte sich mit Herren-Kölnisch-Wasser ein, zog sich frische Unterwäsche an und aß zum Abendessen außer der Reihe drei Eier mit Mayonnaise. Man weiß ja nie, was einen erwartet. Dann setzte er sich vor das Fernsehgerät und wartete auf die Nacht.
Aber es sollte anders kommen. Gegen 10 Uhr leuchtete summend die Signallampe von Zimmer 14 auf. Dicki zog seine Jacke an und knöpfte den Knopf am Hemdkragen zu.
Rosa Ballek. Bisher hatte sie nur zweimal geläutet, und immer war es wichtig. Einmal hatte sie mit ihrer ungeheuren Kraft den Wasserhahn abgerissen, das zweitemal war das Bett eingekracht, weil sie sich mit Schwung daraufgeworfen hatte. Dicki hatte daraufhin das Bett wie einen Kohlenschacht mit Holzstempeln abgesichert. Nun knackten die Pfähle, wenn sich Rosa des Nachts
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