Treibhaus der Träume
dem Bett, warf einen Morgenrock über und lief zum Fenster. Seltsamerweise war sie gut frisiert und sogar geschminkt, was an sich im Bett nicht üblich ist. Frau Haut hatte allerdings nach dem Abendessen beiläufig gesagt: »Einige Damen fahren heute mit mir nach St. Hubert ins Kino. Ein schöner Film: Klettermaxe!«
Von da an lag die brave Frau Hennes wach im Bett und schrak bei jedem Geräusch auf, das von draußen kam.
»Leise. Um Gottes willen, leise!« flüsterte sie jetzt, als sie vier Damen und fünf Männer im Dunkeln zwischen den Büschen stehen sah. Frau Haut hatte an alles gedacht. Ein Gast des Motels ›Forellenklause‹ hatte sich zum Mitgehen entschlossen, blindlings darauf vertrauend, daß Frau Haut ihm keine leeren Versprechungen gemacht hatte. Er atmete hörbar auf, als er Frau Hennes am Fenster sah und der erste Eindruck nicht übel war.
In dieser Nacht wurde auf der Schönheitsfarm viel für die Schönheit getan. Morgens um 5 Uhr kletterten die fünf männlichen Gäste wieder durch das Fenster von Frau Hennes ins Freie und trollten sich durch die Büsche und die Gartenpforte davon. Als letzter ging der Gast von Frau Hennes; sie hielt ihn immer wieder fest, küßte ihn wild und seufzte laut. Am nächsten Morgen rief sie ihren Mann in Duisburg an.
»Schatz!« sagte sie kokett. »Die Kur schlägt prächtig an. Aber man ist hier der Ansicht, daß ich sie verlängern sollte. Noch drei Wochen, wenn du nichts dagegen hast. Dann erkennst du mich nicht wieder.«
Direktor Hennes hatte durchaus nichts dagegen. Er schickte sofort Geld und beste Grüße. Seinem Häschen Viola kaufte er einen Pelzmantel. Viola war neunzehn Jahre alt und arbeitete im Werk an der Datenverarbeitungsmaschine.
»Mit unseren Frauen ist irgend etwas los«, sagte Ilse Patz drei Tage später. »Sie haben noch nie mit so viel Begeisterung geturnt. Sie drängen sich förmlich zu den Lockerungsübungen.« Sie sah Marianne fragend an. Marianne war in diesen Tagen blaß und wortkarg geworden. Sie machte ihre Arbeit wie eine Maschine, aß nur das Notwendigste und ließ sich in den freien Stunden nicht mehr sehen. »Du siehst schlecht aus, Marianne.«
»Laß mich!« Marianne drehte ihr den Rücken zu.
»Ist etwas mit Lutz?«
»Ja.«
»Krach?«
»Nein!« Marianne wirbelte herum. Ihr Mund war aufgerissen. »Es ist aus! Aus! Aus! Bist du nun zufrieden, du Satan?«
Sie sprang auf, riß den Stuhl dabei um und rannte hinaus.
Ilse Patz nagte an der Unterlippe. Sie hob den Stuhl auf und setzte sich. Aus der Tasse Mariannes nahm sie einen Schluck Tee. Er war bereits kalt.
»Ich werde Lutz morgen besuchen, ganz offiziell«, dachte sie und lächelte vor sich hin. »Er soll mich ein einziges Mal in die Arme nehmen, nur einmal … dann kann sie ihn haben für immer.«
Sie trank den kalten Tee aus und zerwühlte ihre schwarzen Haare. Es war ihr unerträglich, daß es einen Mann gab, der nicht ihrer wilden Schönheit verfiel.
An diesem Tag fand Dicki beim Säubern der Gartenwege an einem Rotdornbusch einen Sockenhalter. Er sah sich um, begriff plötzlich den Weg vom kleinen Gartentor zum Fenster von Nummer 4 und pfiff durch die Zähne. »Oha!« sagte er und kehrte Laub zur Seite. »Wenn das so ist, stelle ich mich auch an. Hier gibt's Gänsebraten ohne Marken!«
Baronin Luisa v. Durrhaus wurde entlassen.
Zwar hatte sie noch große Narben an beiden Schenkeln, aber wenn sie enge Hosen trug, und diese trug sie jetzt mit Vorliebe, dann sah man das nicht, wohl aber ihre schlanken, geraden Beine. Hinzu kam, daß Marianne ihr auch noch ein Peeling gemacht und zu einer anderen Frisur geraten hatte. Nun sah Luisa v. Durrhaus um mindestens zehn Jahre jünger aus, sie ging mit elastischen Schritten durch den Garten, ihren Busen in eine enge Korsage gepreßt und beachtete Dicki gar nicht, der sie mit Blicken auffraß. Statt dessen umgarnte sie den noch etwas blauäugigen Dino Valenti, der ebenfalls entlassen werden sollte. Dicki sah sie, zitternd vor Wut, am Waldrand zusammen sitzen. Valenti hatte seine Geige mit und spielte der Baronin die Toselli-Serenade.
»O Himmel!« seufzte sie. »Wie verliebt muß der Mann gewesen sein, als er dies komponierte.«
Valenti bestätigte dies. Am späten Abend saß er bei der Baronin im Zimmer und hielt ihr einen musikwissenschaftlichen Vortrag über die Auswirkungen der Liebe in der Musik.
»O Donna!« sagte Valenti und betrachtete den Busen der Baronin. »Amore ist das Salz des Lebens! Mögen Sie Tomaten ohne
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