Treibhaus der Träume
er saublöd fand, aber Cornelia nahm es hin wie Honigbrot. Und dann hatte man den Mond angesehen, geseufzt und so getan, als sei man schrecklich jung. Dabei war die Nacht herbstlich frisch und etwas feucht, und Josef Patz spürte im linken Knie ein Ziehen. Das Rheuma, das hinterfotzige …
Zum Abschied hatte man sich sogar geküßt. Cornelia van Heerstraten war an seine Brust gesunken in der Erwartung, daß mehr geschehen würde, aber der alte Patz behielt Haltung und Würde. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, denn das Ziehen im Knie wurde stärker. Da half nur ein Wickel, und das war genau das, was ihm Cornelia jetzt und hier nicht bieten konnte und wollte.
Am Morgen aber schien wieder die Sonne. Der alte Patz stürmte in Lorentzens Zimmer.
»Können Sie mich verjüngen?« rief er. »Ihr Ärzte könnt doch alles! Ich muß zehn Jahre jünger werden, das genügt schon. Man wird bescheiden! Aber zehn Jahre müssen doch bei einem unverbrauchten Mann wie mir drin sein.«
»Ich bin Chirurg«, sagte Lorentzen lächelnd. »Was Sie wollen, ist eine Hormonbehandlung. Dafür gibt es andere Kliniken.«
»Ach! Die Brüder mit den berühmten Affendrüsen?«
»Man hat heute andere Mittel. Man injiziert Androgene. Testosteron zum Beispiel. Oder Johimbim …«
»Wie heißt das Ding?«
»Es ist ein Wurzelauszug.«
»Und das hilft?«
Lorentzen drückte den aufgeregten alten Patz in einen der Sessel. »Was ist los mit Ihnen?«
»Ich will mich entschuldigen, Doktor! Noch mal. Ich denke nicht daran, die eineinhalb Millionen Anteil aus der Klinik zu ziehen. Im Gegenteil – ich werde Ihnen noch mehr geben, damit Sie schnell Ihre Poliklinik aufbauen können. Und meine Tochter, dieses Luder, die bekomme ich auch noch klein. Ich bin auf dem besten Wege. Dazu gehört, daß Sie mich zehn Jahre jünger machen. Ohren anlegen, Falten um die Augen weg. Doppelkinn glatt. Die Altersflecken weghobeln …«
»Hören Sie auf!« Dr. Lorentzen lachte. »Sie beschäftigen drei Ärzte ja allein!« Er ging zum Wandschrank, holte eine Flasche Kognak und zwei Gläser. Er ging wie auf Wolken. Die Gefahr ist vorbei … die Gefahr ist vorbei … Welch ein seliges Gefühl. »Wie heißt sie denn?« fragte er, als er das volle Glas hinreichte.
»Cornelia.« Der alte Patz machte einen tiefen Schluck. »Doktor, ich war so unverschämt jung, daß ich sie zum Abschied Conny nannte. Nur im Knie war das Zipperlein …«
»Das ist kein Problem.« Lorentzen hob sein Glas. »Auf Cornelia!«
»Auf Conny!« schrie der alte Patz und stampfte mit beiden Beinen. »Himmikruzisakra! Auf Conny!«
Eine Stunde später stand Lorentzen wieder am Operationstisch. Rosa Ballek, das Riesenweib, lag auf dem Bauch. Sie hatte keine Angst, die Zeitungsmeldung nannte sie Blödsinn. Daß sie über Gebühr aufgeregt war, hing nicht mit ihrem versenkten Viermastschoner auf dem Rücken zusammen, sondern mit Dicki. Was Rosa in ihrem internationalen, wilden Leben in allen Häfen der Welt noch nicht erlebt hatte – hier, in dem stillen St. Hubert erlebte sie es: Ein Mann flüchtete vor ihr.
Es begann damit, daß Dicki auf anhaltendes Läuten nicht mehr reagierte oder im Notfall einen Krankenpfleger in Rosas Zimmer schickte. In der Nacht schloß er sich ein; wie ein Häschen saß er im Bett, als Rosa gegen seine Tür hämmerte, flüsterte, drohte und schimpfte. Im Garten lief er vor ihr weg, wenn er sie von weitem sah. Gestern war es eine regelrechte Treibjagd gewesen. Rosa hatte ihn durch den Park gehetzt, und Dicki war gelaufen wie um sein Leben. In einer leeren hohen Mülltonne fand er Platz, und hier hörte er, wie Rosa, einem Panzernashorn gleich, an seinem Versteck vorbeistampfte, schnaufend und prustend. Die Erde bebte kurz.
»Wann werde ich entlassen?« fragte Rosa Ballek, als Lorentzen zusammen mit Thorlacht den letzten Spaltlappen transplantierte.
»In zwei Wochen, Rosa.«
»Danke.« Sie legte den Kopf auf die mächtigen Unterarme und lächelte. Zwei Wochen noch. Einmal würde es gelingen, Dicki einzufangen. Dann gnade dir der Satan, du Männchen! Vor einer Rosa läuft man nicht weg. Eine Rosa fleht man an.
Wenn man ein richtiger Mann ist, wie Fiedje etwa. Oder Jan. Die hatten immer vollen Wind in den Segeln. Ahoi!
Während Lorentzen operierte und alles glatt verlief, hatte man auf der Schönheitsfarm Sorgen.
Die Damen zeigten in der letzten Zeit große Ermüdungserscheinungen. Bei der Massage schliefen sie ein, bei der Ozonbehandlung schnarchten sie plötzlich,
Weitere Kostenlose Bücher