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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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waren Verkleinerungen und Straffungen gewesen. Es gibt mehr Hängebusen auf der Welt als Autos auf den Straßen. Zu kleine Brüste werden seltener vergrößert. Meistens haben die Patientinnen Angst, es könne etwas schiefgehen, man könne Narben sehen oder sonstige Komplikationen träten ein. So leben sie weiter mit ihrer oberen Flachheit und freuen und trösten sich mit den überschlanken Mannequins. Aber im geheimen beneiden sie die Frauen mit den schönen, vollen Brüsten. Gibt es einen schöneren Ausdruck von Weiblichkeit?
    Es klopfte. Dr. Lorentzen rief »Bitte«, und ins Chefzimmer kam eine sehr jung wirkende, mittelgroße Frau mit langen, schlanken Beinen. Dr. Lorentzen warf schnell noch mal einen verwunderten Blick auf die Karteikarte, um sich zu überzeugen, daß hier kein vierzehnjähriges Mädchen, sondern eine Frau von sechsundzwanzig Jahren hereingekommen war.
    »Nicht wahr, Herr Doktor«, sagte die junge, kindlich wirkende Frau, bevor Dr. Lorentzen sie begrüßen konnte, »ich sehe aus, als müsse ich noch in die Schule gehen.« Ihre Stimme war traurig, und auch die großen, blauen Kinderaugen blickten Lorentzen an, als wollten sie sagen: Noch ein Wort, und ich muß weinen.
    »Das finde ich stark übertrieben!« Dr. Lorentzen gab der Patientin die Hand. Er sah, wie ihre Augen aufleuchteten. Ein paar Worte nur, ein Schlüssel zum Herzen … das ist eines der großen Geheimnisse eines erfolgreichen Arztes. Die Seele gewinnen, dann ist die Heilung schon halb geschafft.
    »Danke«, sagte die kindliche Frau.
    Sie setzten sich, und Lorentzen betrachtete sie mit unverhohlenem Interesse. Sie hieß Therese Haberstock und wohnte in Stuttgart. Als Beruf hatte sie Gesellschafterin angegeben. Ein seltener Beruf in unserer Zeit. Aber es schien noch immer alte Millionärinnen zu geben, die sich Vorleserinnen und Bridgespielerinnen leisteten.
    »Ihr Busen macht Ihnen Sorgen?« fragte Lorentzen. Er war für eine klare Aussprache zwischen Arzt und Patient.
    »Ja, Herr Doktor.« Therese Haberstock sah auf ihre im Schoß gefalteten Hände. »Ich habe kaum etwas … ich bin flach … Im Kleid sieht man es nicht so. Aber im Badeanzug, schon in einer Bluse … und dann im Beruf …«
    Therese Haberstock wurde ein wenig rot. »Ich habe ›Gesellschafterin‹ nur vor dem Fräulein im Vorzimmer angegeben«, sagte sie leise. »Ich bin Bardame. Im ›Club Orientale‹ in Stuttgart. Ich tanze auch … unter dem Namen Resi Hasto. Bisher ging alles gut. Ich machte afrikanische Tänze, Bauchtänze – ich habe nämlich schöne volle Hüften – und zuletzt Schleiertänze. Aber zu mehr, mit Oben ohne reicht es nicht, und das ist mein Ruin. Der Chef hat schon gemeckert, ›Ich verkaufe Sex, aber keine Bohnenstangen!‹ hat er gesagt.« Sie sah Lorentzen wieder an, und in ihren großen blauen Augen hingen jetzt dicke Kindertränen. »Ich muß das Geld in der Bar verdienen. Meine Mutti ist seit drei Jahren durch einen Schlaganfall gelähmt, meinen Vater kenne ich nicht, und aus der zweiten Ehe meiner Mutti sind noch drei kleinere Kinder im Haus. Mein Stiefvater ist durch einen Betriebsunfall fast blind.«
    »O Gott!« sagte Lorentzen. »Stimmt das alles? Fräulein Haberstock, ich bin kein Bargast, den Ihre Geschichte rühren muß. Ich soll Ihr Arzt sein …«
    »Kommen Sie mit mir nach Stuttgart.« Resi nagte an der Unterlippe. »Ich habe nicht gelogen. Ich habe ein schweres Leben. Vielleicht hätte ich einen guten Mann heiraten können, sicherlich – aber dann hatte ich immer Komplexe, sobald mich jemand anfaßte und mit seinen Händen zu meinen Brüsten tastete. Da ist ja nichts, und ich bekam Angst, stieß sie weg und lief davon. Tagelang habe ich jedesmal geweint, können Sie das verstehen? Ich weiß doch, wie gerne die Männer eine schöne Brust sehen. Und wenn ich dann vorm Spiegel stand, kam ich mir nicht wie eine Frau vor, sondern wie ein ewiges Kind. Es ist schrecklich, Herr Doktor. Wenn ein Mann mich ansieht, möchte ich schon weglaufen. Und ich bin doch nicht häßlich, Herr Doktor …«
    »Ganz gewiß nicht.« Doktor Lorentzen stand auf und öffnete die Tür zum Untersuchungszimmer. Dort wartete Schwester Emma, die zweite OP-Schwester, die auch bei den Untersuchungen zugegen war, getreu dem Grundsatz: Untersuche eine Frau nie allein!
    Resi folgte ihm und stand in dem gekachelten Raum wie ein Kind, das zum erstenmal eine Spritze bekommen soll.
    »Jetzt wollen wir mal sehen, was wir für Sie tun können«, sagte Lorentzen

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