Treibhaus der Träume
burschikos. Er wollte alle Scheu vertreiben und klopfte Resi väterlich auf den Rücken. »Machen Sie sich frei. Ich will Ihnen helfen.«
»Danke, Herr Doktor, danke.«
Wenig später saß Resi vor Dr. Lorentzen. Sie schämte sich gar nicht, als er ihre Brüste abtastete und die Haut anhob. Es war wirklich ein kindlicher, in der Entwicklung zurückgebliebener Oberkörper, fast rührend anzusehen in dem Bestreben, fraulich zu wirken.
»Natürlich kann ich die Brust operieren«, sagte Dr. Lorentzen nach der Untersuchung. »Aber man sollte es, bevor man schneidet, erst mit Hormonen versuchen. Östrogen etwa …«
»Es hat keinen Sinn.« Resi holte aus ihrer Handtasche einen Brief. Er war von einem praktischen Arzt in Stuttgart in Form eines Gutachtens für den Kollegen bestimmt, der mit dem Skalpell helfen sollte. Lorentzen überflog die knappen, medizinisch deutlichen Zeilen.
Injektionen und orale Gaben von weiblichen Hormonen bewirkten einen vermehrten Fettansatz an den Hüften und in der Bauchgegend. Die allgemeine Psyche wurde gehoben, aber die Brustdrüsen blieben neutral. Sie nahmen die Hormone nicht zum Wachstum auf.
»Sie sind ein seltener Fall.« Dr. Lorentzen steckte den Brief ein. »Nicht wegen Ihres Busens, davon gibt es viele … aber Ihre Resistenz gegen Östrogene, das ist verwunderlich. Operieren wir also.« Er sah zu Schwester Emma hinüber. »Notieren Sie: Donnerstag 11 Uhr.«
Resi Haberstock zog sich wieder an. Ihr Mund zuckte. »Die Operation wird gelingen, Herr Doktor?«
»Hundertprozentig.«
»Sie werden mir Fett aus den Hüften wegnehmen und einpflanzen? Ich habe einmal so etwas gelesen.«
»Genau das werde ich nicht tun.« Lorentzen führte die kindliche Frau zurück in sein Sprechzimmer. »Ich setze Ihnen kleine Schwämme aus Kunststoff unter die Brustdrüse ein.« Er lächelte Resi beruhigend an, als er ihre ängstlichen Augen sah. »Ich erkläre es Ihnen morgen, ja? Ich zeige Ihnen die Schwämme, die ich bei Ihnen einpflanze. Und keine Angst!«
»Nein, Herr Doktor. Zu Ihnen habe ich Vertrauen …«
Später saß sie in ihrem Zimmer am Fenster und sah hinaus in den Garten. Ihre Hände strichen über ihren flachen Busen, und sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie über schöne feste Wölbungen glitten.
Schwämme aus Kunststoff, dachte sie. Ob das später wirklich keiner merkt …?
Bornemann hatte nach dem Abendessen Dr. Lorentzen angerufen.
»Komm rauf, Lutz«, sagte er. »Da ist eine Schweinerei im Gang.«
Als Lorentzen in die Dachkammer kam, saß Bornemann auf dem Bett, umgeben von aufgeschlagenen Zeitungen. »Sieh dir das an«, sagte er heiser und klopfte auf das Papier. »Wohin du guckst, immer wieder Berichte über mich. Die geben und geben keine Ruhe. Die haben jetzt eine Sonderkommission von fünfunddreißig Mann gebildet. Einhundertneunzehn Spuren sind sie bisher nachgegangen … die hundertzwanzigste kann hier sein.«
»Ich habe es gelesen, Hans.« Lorentzen nickte schwer. »Deine Rechnung, daß Gras über die Sache wächst, geht nicht auf. Die Presse hält die Erinnerung an dich aufrecht. Sie heizt ein. Sie sorgt dafür, daß dich keiner so schnell vergißt.«
Bornemann kaute an der Unterlippe. Wie anders hätte er sich benommen, wenn er gewußt hätte, daß es Horst Rappel war, der täglich durch Mutmaßungen den Namen Bornemann im Gespräch hielt, der Artikel nach Artikel schickte und nachts auf seiner elektronischen Reiseschreibmaschine schrieb, die so leise war, daß man sie nicht hören konnte. Er ist hier im Hause, dachte Rappel. Er wird die Berichte lesen. Er wird nervös werden. O Junge, ich fresse mich in dich hinein wie eine Zecke.
»Es bleibt mir nichts anderes übrig, als hierzubleiben«, sagte Bornemann. »Ob es dir angenehm ist oder nicht: Ich kann noch nicht weg. Erst muß draußen Ruhe sein, und keiner darf Bornemann mehr kennen.«
»Du willst dich also nicht stellen?«
»Bin ich verrückt?«
»Und wie lange willst du bleiben?«
»So lange es notwendig ist.«
Lorentzen wußte, daß dies sehr lange sein konnte. Einen Zwei-Millionen-Raub vergißt man nicht so schnell.
»Dann wirst du hier verschimmeln«, sagte er. Er sah, wie in Bornemanns Blick Angst kam. »Dann kannst du nie mehr fort. In der Funkzeitung steht, daß das Fernsehen über deine Tat einen Film drehen will. Wer es bis jetzt noch nicht weiß, weiß es dann bestimmt. Millionen Fernsehzuschauer, das macht dich unsterblich – während du hier auf deinen zwei Millionen sitzt, die
Weitere Kostenlose Bücher