Treibhaus der Träume
sitzt eines der bezauberndsten Wesen.
Lorentzen setzte sich Heiduk gegenüber und bemühte sich, nicht auf die Beine in den hauchdünnen Perlons zu sehen. Die hochhackigen Schuhe waren aus bestem Pythonleder und zartrosa eingefärbt.
»Sie sind Transvestit«, sagte Lorentzen, noch immer etwas befangen. Er hatte in seinen Klinikjahren verschiedene solcher Männer untersucht, die Frauenkleider tragen, sich als Frau fühlen, wie eine Frau handeln, wie eine Frau denken und doch nur wie ein Mann lieben können. Er hatte damals diese Probleme genau studiert: Die Wesensverwandlung des Menschen bei Überdosen von gegengeschlechtlichen Hormonen. Auch Bernhard Heiduk war eine solche phantastische Spielart der Natur … er hatte einen Überhang an weiblichen Hormonen, aber er war weder ein Zwitter noch ein Hermaphrodit. An ihm war nichts zu operieren, zu korrigieren; er war anatomisch ein Mann, in der Verirrung der Drüsen aber gefangen in der Sehnsucht, eine Frau zu sein. Sein wundervolles Aussehen bestätigte ihm jeden Tag vor dem Spiegel: Du bist eigentlich eine Frau.
Dr. Lorentzen betrachtete Heiduk mit den Augen eines Arztes. An dem schwellenden Busen unter der Bluse blieb sein Blick hängen. Heiduk lächelte und nickte.
»Ein mit Schaumgummi ausgestopfter BH, Doktor«, sagte er. »Das ist das einzige Unechte. Mein Gesicht, meine Beine, meine Hüften – das ist alles echt. Sie haben ja auch zu mir gesagt: Gnädiges Fräulein! Ihnen ist gar nichts aufgefallen.«
»Wie könnte das? Wer ist darauf vorbereitet, einen zweihundertprozentigen Transvestiten zu sehen?« Lorentzen griff auch zur Zigarette. »Aber nun meine Frage: Wie und wo soll ich Ihnen helfen?«
»Hier.« Bernhard Heiduk tippte gegen seine falschen Brüste. »Ich bin eine Frau, ich will gar nichts anderes sein. Wenn ich einen Mann liebe, liebe ich ihn wie eine Frau. Ich empfinde wie eine Frau. Wer uns nicht kennt, nennt uns pervers. Manche mögen es sein. Sie verkleiden sich, um in den Schwulenlokalen mehr Chancen zu haben. Ich bin auch schwul, aber anders, Doktor. Ich liebe Männer, weil ich eine Frau bin.«
Dr. Lorentzen nickte. Er kannte das alles von Hamburg her und war über die Offenheit, mit der Heiduk sprach, keineswegs schockiert. Männer dieser Sorte sind immer von einer seltenen Ehrlichkeit, wenn sie vor einem Arzt stehen.
»Und was soll ich dabei?« fragte er nur.
»Sie sollen durch Ihre Kunst und Ihr Skalpell mich vollenden. Ich möchte einen echten Busen haben! Ich weiß, daß es geht, Doktor! Sie können mir, wenn Sie wollen, einen wundervollen, jugendlichen Busen machen, so schön wie jetzt die Schaumgummiattrappe. Und genau das möchte ich. Ich bin reich. Mein Vater ist Millionär. Ich zahle Ihnen jede Summe, die Sie nennen, solange sie nicht unverschämt ist. Aber ich muß einen richtigen, natürlichen Busen haben. Ich muß, Doktor!« Die kalten blauen Augen blitzten. »Ich habe mich in einen wundervollen Mann verliebt …«
Dr. Lorentzen atmete ein paarmal tief. Der letzte Satz war doch etwas zu stark gewesen. Er sah den jungen Mann an und ertappte sich dabei, daß er dachte: Welch ein herrliches Mädchen.
Er schüttelte den Kopf und stand auf. Bernhard Heiduk verfolgte ihn mit den Blicken.
»Sie sagen nein, Doktor? Sie wollen nicht?«
»Sehen wir davon ab, daß ich nicht will, auch für fünfzigtausend Mark nicht, wenn Sie sie zahlen würden … ich darf es nicht.«
»Es gibt kein Gesetz, welches verbietet, daß ein Mann eine weibliche Brust haben darf.«
»Ein Irrtum, mein Lieber. Es gibt ein solches Gesetz. Es ist sogar ein Strafgesetz. Warten Sie …« Lorentzen ging zum Bücherschrank und holte ein Gesetzbuch heraus. In der Erinnerung hatte er noch, daß es ein Gesetz so um die Nummer 200 sein mußte. Der alte Heberach hatte einmal einen Vortrag über Transvestiten gehalten und sie kurz ›Säue‹ genannt, was ganz in seiner Art lag.
»Suchen Sie nicht, Doktor«, sagte Heiduk und strich sich die blonden Locken zurück. »Es gibt auch eine andere Möglichkeit. Injizieren Sie mir Hormone. Östrogene. Das dauert länger als eine Operation, aber es bilden sich auch Brüste, die Stimme wird heller und die letzten männlichen Körperhaare verschwinden. Fifi hat es auch so gemacht. Sie ist meine Freundin … natürlich auch ein Mann. Sie hat eine Bar in Frankfurt. Keiner, der sie ansieht, der ihr Geld in den Busen steckt, weiß, wie sie wirklich ist.«
Lorentzen hatte den Paragraphen gefunden. Er kam mit dem Buch zum Tisch
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