Treibhaus der Träume
an der Tür. Durch die Wand hörte man seine wilden Flüche. »Im übrigen ist es noch früh genug für Ihren Weinabend. Viel Spaß, Thorlacht!«
»Danke, Chef«, antwortete Thorlacht.
Dr. Lorentzen legte auf und zögerte dann, den Hörer schon wieder in der Hand. Er drückte auf den Knopf. Das Rufzeichen des Amtes zirpte aus der Muschel.
Die Polizei. In zehn Minuten wäre sie da.
Lorentzen legte den Hörer wieder zurück.
Er wollte kein Verräter sein. Er wollte den Mann nicht verraten, der einmal sein bester Freund gewesen war, sein Blutsbruder sozusagen.
Gib ihm Gelegenheit, sich selbst zu stellen, dachte Lorentzen. Einmal wird er einsehen, daß dies der einzige Weg ist, den er gehen kann.
Es war, wie sich später herausstellte, ein Fehler, der nie wieder gutzumachen war. Zwei Tage lebte Bornemann wie ein wildes Tier. Lorentzen versorgte ihn mit dem Nötigsten, brachte ihm Brot, Butter und Wurst und stellte ihm einen Klo-Eimer ins Zimmer. Vor die Tür klebte er einen neuen Zettel: Labor. Eintritt verboten! Lebensgefahr! Die Schwester, die Bornemann bereits betreut hatte, fragte nicht. Der Patient war entlassen worden, das Zimmer zum Labor geworden, was gab es da noch zu fragen?
»Was soll das?« sagte Bornemann, als Lorentzen den Klo-Eimer und Verpflegung brachte. Dabei hielt er die Pistole in der Hand und beging nicht die Dummheit, Bornemann aus den Augen zu lassen. »Machst du jetzt ein Privatgefängnis auf?«
»So ähnlich. Bis du vernünftig bist und dich der Polizei stellst.«
»Dann richte dich auf lebenslänglich ein«, knirschte Bornemann.
»Auch gut. Ich lebe ja nicht in einem kleinen Zimmer und sitze wie ein Idiot auf Koffern mit zwei Millionen in bar.«
»Du willst mich fertigmachen, was?« sagte Bornemann zitternd. »Du willst mir die Nerven kaputtmachen. Ich soll verrückt werden. Aber das gelingt dir nicht! Das nicht! Ich komme hier heraus!«
»Und in die Arme der Polizei.«
»Irrtum! Der Bornemann ist zwar kein gebildeter Akademiker, aber auch kein Dummkopf.«
In dem großen Haus merkte niemand etwas von diesen Vorgängen. Auch der wachsame Horst Rappel nicht. Dicki hatte andere Sorgen. Er kam von der größten Blamage seines Lebens und begriff immer noch nicht, wie so etwas möglich war.
Er hatte, wie geplant, das schicke Mädchen in St. Hubert getroffen, mit ihr Wein getrunken und sogar getanzt. Berni Heiduk machte den Spaß mit bis zu einer gewissen Grenze, er wiegte sich in den Armen Dickis und ließ sich sogar auf die Wange küssen, machte einen Waldspaziergang und seufzte romantisch gegen den Mond. Als aber Dicki angriff und mit männlichem Elan, angeheizt durch den Wein und das Entgegenkommen des schönen Mädchens, die Bluse aufknöpfen wollte, schlug Bernhard Heiduk zu. Erst rechts und links auf die Wange Dickis, und als dieser einen Grunzlaut ausstieß und zum Angriff überging, hieb er ihm zwei Haken ans Kinn und ließ Dicki ins Gras plumpsen.
»Du Vollidiot!« sagte Heiduk. »Siehst du nicht, daß ich ein Mann bin?«
»Was bist du?« stammelte Dicki. Er rieb sich das Kinn und starrte von den schlanken Beinen seines Gegners hinauf über den Körper bis zu dem schönen, runden Busen. Dann schüttelte er sich und bohrte in den Ohren, als habe er Ohrensausen.
»Ich bin wie du, du Rindvieh! Nur anders herum, verstehst du?«
Er ließ Dicki im Gras sitzen und entfernte sich mit wiegenden Hüften und auf hochhackigen Schuhen. Dicki starrte ihm nach wie ein Geist.
»So was …«, stotterte er. »Und das muß mir passieren! Du grüne Neune …«
An diesem Abend kam Dicki stockbetrunken nach Hause, und auch jetzt noch saß der Stachel in ihm. Diese Blamage würde er nie überwinden.
So ging in der Klinik alles seinen gewohnten Lauf. Nach langer Überlegung hatte sich Lorentzen entschlossen, Marianne nichts von seinem ungebetenen Gast zu erzählen oder sie vor ihm zu warnen. Er wird nie aus dem Zimmer herauskommen. Nur wenn er sich stellt – und dann wird auf dem Flur die Polizei stehen.
So wurde, wie geplant, die Operation an der kleinen Brust von Therese Haberstock vorgenommen.
Um 11 Uhr sollte sie stattfinden. Um 10 Uhr, nachdem sie von Schwester Emilie ihre Beruhigungsspritze und Tabletten bekommen hatte, holte Dr. Lorentzen sie in sein großes Behandlungszimmer. Resi sah blaß aus, ein wenig ängstlich. Sie blickte an sich hinunter, auf ihren flachen Brustkorb, über dem viel zu weit die Schlafanzugjacke beulte.
»Kommen Sie«, sagte Lorentzen fröhlich, denn
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