Treibhaus der Träume
breit lächelnd.
Ilses Augen glühten vor Zorn. »Steig ein, du Esel!«
»Zum See.«
Ilse schwieg verbissen. Dann schien sie eine Idee zu haben, sprang aus dem Wagen und zeigte hinein. »Bitte, der Herr Doktor, fahren Sie! Mir ist der Nachmittag total versaut.«
»Das ist ein Wort! Hinein ins kühle Naß!« Thorlacht schwang sich in den offenen Wagen und ließ ihn an. Dann schlug er mit den flachen Händen den Takt auf das Armaturenbrett und sang: »Spring ins Wasser, Margarete, mach die Fischlein mal verrückt …«
»So etwas Dämliches«, sagte Ilse und drehte sich um. Aber sie zuckte doch zusammen, als Thorlacht anfuhr und abbrauste.
Er fährt tatsächlich ohne mich. Sie starrte ihrem Wagen nach und wartete, daß die Bremslichter aufleuchteten, Thorlacht wendete und zurückkam, so wie sie zurückgekommen war. Aber Thorlacht fuhr weiter und war bald im Tal verschwunden.
Er läßt mich stehen, er läßt mich tatsächlich stehen, dachte sie, und Ratlosigkeit überkam sie. In einer solchen Situation war sie noch nie. Aber dann siegte ihre Energie. Obwohl sie bisher nie bereit gewesen war, nachzugeben, rannte sie ins Haus, holte ihre Badetasche und wanderte dann zu Fuß nach St. Hubert.
An der Abzweigung zum Rackl-See sah sie ihren Wagen stehen. Dr. Thorlacht saß auf einer Bank des Verschönerungsvereins St. Hubert und las eine Zeitung.
»Was soll denn das?« schrie sie. »Das ist ja der Gipfel. Soviel Gemeinheit ist noch nie dagewesen! Du sitzt hier gemütlich auf der Bank?«
»Ja, Liebling.« Thorlacht faltete die Zeitung zusammen. »Ich wußte, daß du nachkommst. Aber den ganzen Weg wollte ich dir als Kavalier ersparen.«
»Du Ekel!« rief Ilse Patz. Sie ballte die Fäuste. »Ich will gar nicht an den See!«
»Doch. Denn du bist jetzt schon eifersüchtig auf die hübschen Mädchen, die ich dort antreffen könnte. Und ich finde, daß dies ein Beweis ist, daß wir zusammengehören. Was meinst du, Ilse?«
»Wir benehmen uns wie dumme Jungs.«
»Nur zeitweise. Jetzt zum Beispiel sind wir ein Liebespaar.«
Er riß sie in seine Arme und küßte sie.
Ilse Patz wehrte sich nicht. Sie hatte im Gegenteil das Empfinden, noch nie einen Kuß so herrlich in ihrem ganzen Körper gespürt zu haben. Und sie verstand etwas vom Küssen.
Am Abend kamen sie Hand in Hand in das Privatspeisezimmer der Schönheitsfarm. Marianne, Dr. Lorentzen und der alte Patz saßen um den Tisch.
»Wir haben uns heute verlobt!« sagte Ilse, als sie vor dem Tisch standen. Sie strahlte, wie von innen beleuchtet.
»Mein aufrichtiges Mitleid, Doktor!« brummte der alte Patz.
»Die Flasche Sekt steht schon kalt.« Marianne blinzelte ihrer Freundin zu. »Manchmal hat man so Ahnungen …«
»Es war ein guter Rat«, sagte Thorlacht später zu Dr. Lorentzen, als sie einmal allein waren. »Aber es war schwer. Als ich da auf der Bank saß und auf Ilse wartete … ich war drauf und dran, rückfällig zu werden.«
»Aber Sie haben durchgehalten. Sie dürfen sich etwas wünschen zur Hochzeit; es ist schon erfüllt.«
Thorlacht schluckte mehrmals. »Ich möchte immer bei Ihnen arbeiten, Chef.«
»Das war doch von vornherein klar, Thorlacht.«
»Danke, Chef.« Es fehlte nicht viel und er hätte Lorentzen umarmt. »Aber Sie haben es nie so klar gesagt.«
Bornemann wachte auf und hatte das dumpfe Gefühl, sich in höchster Gefahr zu befinden. Draußen schoben sich die Abendwolken über die Berge, die Wälder wurden schwarzgrün, die Felsen fleckig. Mit einem Satz war er aus dem Bett und rannte zur Tür. Daß er eingeschlafen war, verfluchte er, aber es war nicht mehr rückgängig zu machen. Dafür fühlte er sich jetzt frisch und stark, und sein Gehirn arbeitete so präzise wie früher seine elektronischen Rechenmaschinen in der Bank.
Die Haustür, die bei seinem Kommen offengestanden hatte, war verschlossen. Von außen. Es war also jemand hier gewesen. Man hatte ihn erkannt. Er war gefangen.
Bornemann rannte zu den vier Fenstern der Hütte – sie waren vergittert. Außerdem hatte man die Läden vorgeschlagen und von außen Knüppel dagegen gestemmt, damit man sie nicht von innen aufstoßen konnte. Durch den herzförmigen Ausschnitt der Läden sah Bornemann diese Sicherung.
Einen Augenblick lang war er betäubt von Angst und Unsicherheit, aber dann siegte sein Wille zum Leben. Er schob den schweren Tisch vor sich her, kantete ihn und rammte dann mit ihm die Tür. Immer und immer wieder rannte er gegen die dicken Bohlen an. Er zählte nicht
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