Treibhaus der Träume
darunter und hob sie dem Spiegel entgegen.
Fußbälle, nennt Alfredo sie. Schamlos, wie er ist. Fußbälle. Und sie war immer so stolz auf diese Brüste gewesen. Nie hatte ein Liebhaber sich darüber beschwert. Im Gegenteil –
Schwester Frieda kam herein. Schnell schob Joan Bridge ihre Brüste unter die Spitzen zurück.
»Geht es los?« fragte sie tonlos.
»Ich soll Sie zum OP bringen, gnädige Frau.« Schwester Frieda schloß das Fenster. Durchzug war Gift für einen Frischoperierten. Dann nahm sie den Morgenmantel aus grüner chinesischer Seide vom Haken und hielt ihn Joan Bridge hin.
»Es ist aber doch noch gar nicht 10 Uhr«, sagte Joan und lief zum Bett. Sie setzte sich auf die Bettkante und verzog das hübsche amerikanische Einheitspuppengesicht. »Mir ist so übel, Schwester. So schrecklich übel. Und Kopfschmerzen habe ich. Ich bin so föhnempfindlich …«
»Wir haben einen klaren, herrlichen Sonnentag. Kein Wölkchen ist am Himmel.« Schwester Frieda kam mit dem Seidenmantel zum Bett.
»Dann kommt Föhn. Ich spüre es. Ich denke, bei Föhn wird nicht operiert?«
»Das bestimmt der Chef.« Schwester Frieda lächelte nachsichtig. »Und der Chef hat angeordnet, daß ich Sie zum OP bringen soll.«
Einer grünen Woge gleich rauschte Joan Bridge in den Vorbereitungsraum des OPs. Anders als sonst in kosmetischen Privatkliniken, wo alles intimer ist, hatte Lorentzen einen richtigen Klinikbetrieb aufgezogen. Er dachte weiter, an andere Dinge als an Gesichtsstraffungen und Fältchenunterspritzungen, Nasenkorrekturen und Lidplastiken. Er wartete auf tragische Fälle, auf die Menschen, die durch Verletzungen nicht mehr wie Menschen aussahen. Für sie hatte er das alles gebaut, den großen modernen Operationsraum, den Vorbereitungsraum, den Röntgenraum, die Wachstation. Noch schlief das alles, blank geputzt, chromglänzend, gekachelt. Noch blähten sich nicht die beiden Sauerstoffzelte in den Zimmern 6 und 7. Noch war das Fernsehauge nicht eingeschaltet, mit dem die Schwester auf Station 1 – die geplante Station der schweren Fälle – die Zimmer überwachen konnte. Aber Lorentzen wußte, daß er das alles einmal brauchte, wenn die großen Transplantationen gemacht wurden. Wenn Knochenstücke aus der Hüfte neue Kinne bildeten, wenn Brustknorpel neue Ohren formten, wenn Knochenspäne zerrissene Kiefer bedeckten.
Dr. Lorentzen war schon im OP, als Joan Bridge von der OP-Schwester abgefangen wurde. Schwester Frieda kam ihr nachgerannt.
»Noch eine Beruhigungsinjektion«, sagte die OP-Schwester zu dem Assistenten. Sie war eine erfahrene Frau, die seit fünfzehn Jahren neben dem operierenden Arzt stand. Lorentzen hatte sie nur für seine Klinik bekommen, weil sie das Gefühl hatte, eine jüngere Schwester wolle sie verdrängen.
»Sie hat schon zwei!« rief Schwester Frieda.
»Es ist Föhn!« Joan Bridge ließ sich auf ein weißes Wachstuchsofa fallen. »Mein Kopf zerspringt. Oh, ist mir übel!« Sie schloß die Augen und stöhnte leise. Achselzuckend ging die OP-Schwester in das Nebenzimmer.
»Also gut«, sagte Lorentzen wenig später. »Blasen wir die ganze Operation ab.« Er stand vor der bebenden Joan Bridge, die steril gewaschenen Hände von sich gestreckt. »Ich war ja immer dagegen. Gehen Sie bitte auf Ihr Zimmer und packen Sie, Miß Bridge.«
»Vielleicht morgen … oder übermorgen, Doc?« Joan richtete sich auf. »Übermorgen, Doc. Bitte …«
»Der Operationsplan ist für sechs Wochen besetzt. Es tut mir leid, Miß Bridge.«
»Dann jetzt!« Sie sprang auf und riß sich das Spitzennachthemd vom Leib. In weißer, fülliger Nacktheit lief sie an Lorentzen vorbei in den OP, rannte fast den verblüfften Assistenten um und schwang sich auf den Operationstisch. Sie streckte sich aus, faltete die Hände über den Bauch und sah über ihre vollen Brüste hinweg zu Lorentzen, als visiere sie ihn über die Brustwarzen an. »Los! Fangen Sie endlich an, Doc! Wenn schon, dann ohne lange Vorträge! Und machen Sie mir eine schöne, kleine, feste Brust, Äpfelchen, sagt Alfredo!«
»Verrückt.« Die OP-Schwester sah Dr. Lorentzen mißmutig an. »Typisch Amerikanerin. Wir hatten in München auch solche Typen. Die halten selbst in der Narkose den Mund nicht. Sollen wir oder sollen wir nicht?«
»Wir operieren.« Dr. Lorentzen kam in den OP und trat an den Tisch. Die zweite Schwester deckte den nackten Körper Joans mit warmen Tüchern ab und schnallte ihre Arme und Beine fest. Nur die linke Brust blieb frei.
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