Treibhaus der Träume
Mit ihr wollte Lorentzen beginnen. Rosig schob sich die Kugel über die weißen Laken.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte Lorentzen. Er beugte sich über Joan. Ihre Augen zitterten.
»Jetzt habe ich gar keine mehr, Doc!« Eine Kinderstimme war es, kläglich und wie besiegt. »Ich vertraue Ihnen ja so …«
Sie zuckte noch einmal zusammen, als sie die Evipanspritze bekam. Dann wurde ihr Atem ruhiger, die Augen schlossen sich. Joan Bridge merkte nicht mehr, was um sie herum ablief. In der Narkose träumte sie von Italien. Alfredo saß in einem Apfelsinenbaum und sang ›O sole mio‹. Dabei warf er mit Orangen um sich.
Ein verrückter Narkosetraum.
Wie er es bei der Vorbesprechung aufgezeichnet hatte, operierte Lorentzen nach der Methode Thorek.
Er trennte zunächst die Brustwarze zusammen mit dem Warzenhof völlig von der Brust. Peinlich genau setzte er den Rundschnitt unmittelbar an den Warzenhofrand. Später würde man dann kaum noch die Naht sehen, denn die schmale Narbe würde in dem leicht gekräuselten roten Hof völlig verschwinden.
Zum erstenmal sahen die OP-Schwestern und der Assistent diese Operation. In Hamburg, bei Prof. Heberach, wurde die große Chirurgie zelebriert. Heberach hätte Lorentzen einen Idioten genannt, wenn er jemals den Gedanken ausgesprochen hätte, eine Brustwarze frei zu verpflanzen. »Wozu?« würde Heberach in seiner schrecklich arroganten Art gebrummt haben. »Wenn einem Weibsbild die Titten nicht mehr gefallen, soll sie sie zubinden oder mit Leukoplast festkleben!«
»Tuch«, sagte Lorentzen knapp.
Die OP-Schwester reichte ein feuchtes, warmes Tuch an. Es war völlig steril und außerdem noch mit einem Penicillinspray behandelt worden. In dieses Tuch legte Lorentzen die herausgetrennte Brustwarze, wickelte sie ein und schob sie zur Seite auf den Instrumententisch.
Von nun an verlief die Brustoperation wie immer. Waagerecht in die Falte des Brustansatzes legte Lorentzen den großen Schnitt, in einem so schön geschwungenen Bogen, wie die alte Brust geformt war und die neue, kleinere sein sollte. Der Assistent setzte die Haken an und zog die Haut hoch. Die große Brustdrüse lag bloß. Es blutete kaum; das Drüsen- und Fettgewebe schimmerte rosiggelb unter der starken Operationslampe.
Mit sicheren Schnitten löste Lorentzen so viel Gewebe von der Brust, wie er verantworten konnte. Jeder Klumpen Drüsengewebe, den er nach Abtrennung in eine bereitgehaltene Schale warf, tat ihm leid. Ich hätte diese Operation ablehnen sollen, dachte er dabei. Hier korrigiere ich nicht die Natur, hier verstümmele ich sie. Er sah zu dem Assistenten hinüber. Frei von solchen Gedanken hielt der die Haken fest und sah auf die schneidenden Hände seines Chefs.
Sie drohte, sich das Leben zu nehmen, beruhigte sich Lorentzen. Und wie sie ist, hätte sie es wahrgemacht. Liebestolle Frauen sind zu den größten Wahnsinnstaten fähig. Im alten Rom haben Frauen ihre eigenen Töchter getötet, wenn sie ihnen im Wege standen bei den gemeinsamen Liebhabern. Sagen wir uns vor: Hier retten wir ein Leben. Zwar ein hysterisches … aber der Arzt soll nicht richten, sondern helfen.
Die Verkleinerung der Brust ging schnell. Nachdem die Fettgewebe weggenommen waren, schnitt Lorentzen von der nun überflüssigen Brusthaut soviel ab, daß zum Überziehen der nun kleinen Brust genug übrigblieb. Mit winzigen, eng beieinanderliegenden Stichen und mit haarfeinen Seidenfäden nähte er dann die Haut wieder an. Diese Arbeit dauerte länger als die ganze Operation an sich. Anders als bei der allgemeinen Chirurgie, wo Nähte nur Schließungen von Wunden und Defekten sind, ist die Naht des kosmetischen Chirurgen das Wichtigste der Operation überhaupt. Je schmaler und unsichtbarer später die Narben sind, um so höher singt man das Lied vom braven Schönheitsdoktor. Eine solche, fast unsichtbare Naht aber ist ein Geduldsspiel.
Dr. Lorentzen richtete sich auf, atmete tief und streckte sich. Die verkleinerte Brust lag vor ihm. Rundlich, straff, eine glatte Kugel, der das Wichtigste noch fehlte: Die Warze.
»Skalpell«, sagte Lorentzen ruhig.
Die OP-Schwester reichte ihm ein neues scharfes Messer. Der Assistent sah ihn erwartungsvoll an.
»Sie staunen«, sagte Lorentzen und lächelte unter seinem Mundtuch, als er die fragenden Augen seiner Mitarbeiter sah. »Und Sie denken: Jetzt schneidet er ein Loch in die Haut, setzt Brustwarze und Warzenhof einfach hinein in dieses Hautfenster, näht alles fest und bittet
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