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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klinik gekommen.
    »Ihre Nase ist kein Problem«, sagte Lorentzen zu Thomas Weber. »Nur: Die Operation kann nicht vor Dienstag nächster Woche durchgeführt werden. Bis dahin haben wir aber Zeit, anhand von Modellen, gemeinsam eine schöne Nase für Sie auszusuchen.«
    Thomas Weber, alias Dr. Thorlacht, nickte. Die Worte blieben ihm im Halse stecken.
    Das also war Dr. Lorentzen. So sah ein Mensch aus, von dem der alte Heberach sprach, als sei er der Teufel persönlich. So sympathisch auf den ersten Blick, so voll Güte und ausstrahlendem Vertrauen war der Mann, den er mit seinen Berichten stürzen sollte.
    Thomas Weber kam sich schäbig wie eine Wanze vor. »Ich bin froh, zu Ihnen gekommen zu sein«, sagte er heiser vor innerer Erregung. »Ich glaube, wir werden uns bis Dienstag noch öfter unterhalten.«
    »Das wäre nett.« Lorentzen gab Dr. Thorlacht die Hand. »Wenn Sie wollen, können Sie bis Montag auch in St. Hubert wohnen statt in der Klinik. Es ist billiger.«
    »Danke, Herr Doktor.« Der junge Arzt schluckte. »Aber ich möchte in Ihrer Nähe sein. Ich möchte mich … möchte mich … an die Krankenhausluft gewöhnen …«
    Wie ein Angetrunkener wankte er dann hinaus.
    O wie gemein das alles ist, dachte er. Wie hundsgemein. Welch ein Satan ist doch der alte Heberach.
    Nach Dr. Thorlacht wurde von Schwester Frieda der nächste neue Patient ins Sprechzimmer geführt. Dr. Lorentzen warf schnell einen Blick auf die Karteikarte.
    Dino Valenti.
    Ein Name, den er schon irgendwo gehört hatte.
    Dino Valenti war ein überschlanker, großer Mann mit schwarzen Locken und einem scharf geschnittenen, römischen Gesicht. Seine Finger waren ständig in nervöser Bewegung und drehten an den Knöpfen seines Anzuges oder trommelten an seine Oberschenkel. Er nahm Platz, als Lorentzen auf einen der Ledersessel wies, sprang aber sofort wieder auf und drehte an seinen Jackenknöpfen.
    »Sieht man hinterher nichts?« rief er mit singendem italienischen Tonfall, der sogar die deutsche Sprache musikalisch werden läßt. »Gar nichts? Dottore! Man darf nichts sehen! Nicht eine Narbe!«
    Lorentzen betrachtete den nervösen Valenti mit dem Blick des kosmetischen Chirurgen. Die Dante-Nase … um Gottes willen, es wäre eine Schande, wenn es um diese ging. Diese scharfe Nase gehörte zu Valenti. Ohne sie war er ein Dutzendgesicht wie auf dem Fischmarkt von Bari. Die Ohren lagen unter den schwarzen Locken. Die Haut war glatt. »Man sieht nichts«, sagte Lorentzen mutig.
    »Auch nicht in Großaufnahme?«
    Lorentzen wurde hellhörig. Großaufnahme. Es ging also um das Gesicht. Doch die Nase? Er war sich klar, daß er diese Operation ablehnen würde.
    Dino Valenti zog das Kinn an. »Dottore«, rief er nervös. Es knirschte, ein Knopf war abgedreht. Valenti drehte ihn zwischen den Fingern. »Ich bin Geiger. Virtuose. Sie haben mich schon gehört.«
    Lorentzen erinnerte sich jetzt. Dino Valenti. Konzert von Paganini. In der Konzerthalle von Hamburg. Die Frauen liefen ihm nach wie dem Rattenfänger von Hameln die Kinder. Die Kritiken waren gut. Ein technisches Genie, schrieb man. Es ist verblüffend, was Valenti mit einer Geige alles machen kann.
    »Ja, ich habe Sie gehört«, sagte Lorentzen.
    »Auch gesehen?«
    »Natürlich.«
    »Genau, Dottore?«
    »So gut es ging«, sagte Lorentzen verwundert.
    »Bitte. Betrachten Sie mich, Dottore. Bitte!« Er nahm von Lorentzens Schreibtisch ein Buch, klemmte es unter das Kinn wie eine Geige, nahm das Lineal und begann, über das Buch zu streichen. Dabei geriet sein Gesicht in Verzückung, sein Körper vibrierte.
    »Tschaikowsky!« rief er. »Das presto vivace … Dottore … sehen Sie nichts …?«
    Lorentzen beugte sich vor. Und da sah er es: Während das linke Auge glühte vor Begeisterung, hing über dem rechten traurig und schläfrig das Lid.
    Mit einem Seufzer unterbrach Valenti sein stummes Spiel und warf Buch und Lineal auf den Tisch zurück.
    »Ist das nicht schrecklich, Dottore?! Seit drei Jahren. Es hängt und hängt. Es fällt einfach herunter, wenn ich im Spiel versinke. Im Fernsehen kann man mich nicht life oder in Großaufnahme bringen. Was sagt der Regisseur, dieser Hund, wenn wir eine Sendung machen? Der Somnambule, nennt er mich. Ich hätte ihn erwürgen können, den Schuft! Dottore, helfen Sie mir! Können Sie das hängende Lid wegoperieren?«
    »Ich kann es«, sagte Lorentzen fest.
    »Ohne, daß man etwas sieht?«
    »Ohne Naht.«
    »Dottore!« Dino Valenti breitete die Arme aus.

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