Treibhaus der Träume
große Handtasche und hob ein Bündel Geldscheine hoch. »Ich habe genug bei mir, Doktor. In Tanger ehrlich verdient. Ich kann bezahlen.«
»Nächste Woche.« Lorentzen war vorsichtig. Man mußte dieses seltene Problem in aller Ruhe durchdenken. »Schwester Rosel wird Sie auf Ihr Zimmer bringen. Morgen sehe ich mir Ihre Santa Anna einmal genau an und auch die Stellen, wo ich die neue Haut hernehmen kann.« Er sah Rosa Ballek scharf an. Ein Verdacht war ihm gekommen. »Sie sind doch sonst nicht woanders tätowiert …«
Rosa Ballek senkte den Kopf und wurde tatsächlich rot. »Doch, Doktor«, sagte sie verschämt. »Aufm linken Achtersteven …«
»Mein Gott! Auch ein Schiff?«
»Nee … nur'n Wort. ›Ahoi‹.«
»Und das soll auch weg?«
»Nee, Doktor.« Rosa Ballek reckte sich stolz. »Das ›Ahoi‹ will mein Fiedje lassen.«
Schneller, als sie es wollte, war der Sonntag gekommen. Der Sonntag, an dem Ewald Fohrbeck seine Frau besuchte.
Drei Tage lang hatte Lorentzen das Gesicht behandelt. Das für Ursula unbegreifliche Wunder war geschehen: Nachdem der Schorf abgenommen war, lag reine, zarte, neue Haut darunter. Noch etwas rötlich, wie es neue Haut immer ist, aber glatt und eben, ohne Pickel, ohne Narben. Lorentzen hatte recht behalten. Ursula Fohrbeck sah aus wie eine kleine Madonna.
»Nun übergebe ich Sie wieder der Schönheitsfarm«, sagte er, nachdem Ursula eine halbe Stunde vor dem Spiegel geweint hatte und ihr Glück nicht zu begreifen schien. »Fräulein Steegert wird Sie mit einem Make-up versehen, im Friseursalon werden Sie eine moderne Frisur bekommen – und wenn Ihr Mann kommt, wird er nicht glauben, daß das seine Frau ist. Er wird sich richtig mickrig neben Ihnen fühlen.«
Nun war es soweit. Der Friseur war geschafft. Ursula lag im Kosmetikkeller, und Marianne selbst legte das Make-up auf, zog die Lippen nach, machte die Lidstriche, während zwei Mädchen die Fingernägel behandelten.
Kurz vor dem Ende der Maniküre schellte das Haustelefon.
»Ihr Mann«, sagte Marianne Steegert und legte wieder auf. »Er wartet im Besuchszimmer. Frau Fohrbeck … Mut … ran an den schlimmsten Feind der Frauen, den egoistischen Mann!«
Ursula nickte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Ewald ist gekommen. Er wartet.
»O Gott«, stöhnte sie. »Ich kann nicht aufstehen. Ich bin wie gelähmt. Ich … ich kann nicht gehen.«
»Mut, Frau Fohrbeck!« Marianne hob sie fast von der Liege. »Und Kopf hoch! Sie sind jetzt stolz. Ganz stolz. Sie sind eine der schönsten Frauen, die St. Hubert je gesehen hat. Schauen Sie in den Spiegel. Ihr Mann wird sprachlos sein …«
Mit steifen Beinen stieg Ursula die Treppe hinauf. Dann stand sie vor der geschnitzten Tür des Besuchszimmers. Die Tür zwischen Himmel und Hölle.
In diesen Augenblicken war Ursula Fohrbeck ganz allein. Niemand half ihr. Sie war einsam wie der Boxer im Ring, aber ihr Gegner war unbezwingbar: Das Schicksal.
Die Hand, die sie schon auf die schmiedeeiserne Klinke gelegt hatte, zog sie wieder zurück. Es hat keinen Sinn, durchfuhr es sie. Ich weiß, daß er seine Sekretärin liebt, daß er mit ihr Reisen macht, daß er ihr Geschenke kauft. Sie ist zehn Jahre jünger als ich. Sie hat einen straffen, unverbrauchten Körper. Sie hat nicht zwei Kinder geboren. Ihr Busen ist noch jugendlich, ihre Haut überzogen mit dem Haarsamt junger Mädchen. Sie hat lange blonde Haare und trägt Miniröcke.
Von Eifersucht und Kummer zerfressen, hatte Ursula Fohrbeck tagelang die Sekretärin Ewald Fohrbecks beobachtet. Gegenüber dem hohen Bürohaus war ein kleines Café; hier saß sie an einem runden Tisch am Fenster, den Kopf gegen die Gardine gedrückt, und wartete, bis die Sekretärin zum Mittagessen ging. Fünf Tage lang, pünktlich um 12 Uhr, verließ Karin – sie hatte den Namen vom Portier des Bürohauses erfahren – die Firma und stieg in einen kleinen Wagen. Er hat ihn ihr gekauft, dachte sie häßlich. Er ist ganz neu. Und wie sie geht! Den Rock bis zum halben Schenkel. Das ist schamlos. Aber Ewald mag so etwas, ich weiß es. Nur nicht bei seiner eigenen Frau. Wie sie die Haare flattern läßt. Wie ordinär sie ihre Lippen geschminkt hat. Ein grelles Rot.
Und so hatte sie am Fenster gesessen, bleich und zitternd, und wußte, daß sie verloren hatte, daß es sinnlos war, zu kämpfen um einen Mann, den schönere Waffen in die Knie zwangen. Und sie hatte an die Kinder gedacht, vor sich hingeweint und war jedesmal zusammengezuckt, wenn sie ihr Gesicht
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