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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Ich glaube an Sie! Ich werde in der Klinik ein Konzert geben und spielen wie nie in meinem Leben! Dottore! Ich möchte Sie küssen!«
    Schwester Frieda hatte Mühe, den vor Freude hüpfenden Valenti in sein Zimmer zu bringen. Sie kam mit starrer Miene zurück.
    »Jetzt hat er mich geküßt«, sagte sie böse. »Soll ich ihm eine Beruhigungsspritze geben, Herr Chefarzt?«
    Lorentzen lachte laut. »Frieda, haben Sie Humor!« rief er. »Sagen Sie der Küche, sie soll eine große Portion Spaghetti kochen. Damit können Sie sich einen ewigen Platz in seinem Herzen erobern …«
    Die dritte neue Patientin war eine Frau.
    Groß, breit wie ein Ringer wuchtete sie in das Zimmer. Ihre flachsblonden Haare waren kurz geschnitten. Wie Säulen waren die Beine. Die Brüste wölbten sich rund unter der Bluse. Als sie Lorentzen die Hand gab, war der Druck wie ein Schraubstock. Sie setzte sich und legte die Hände auf die Schenkel wie ein Seemann auf Freiwache, wenn er an der Reling hockt und ins Meer spuckt.
    »Rosa Ballek«, las Lorentzen aus der mitgebrachten Karteikarte vor. »Geboren in Bremerhaven. Jetzt wohnhaft in Tanger.« Er blickte hoch und sah mit ehrlicher Bewunderung diese Frau an. Mit einem Schlag mochte sie zehn Araber wegfegen, wenn es nötig war. Sie mußte in Tanger schon legendären Ruf genießen.
    »Ich bin mal nach Hause gekommen«, sagte Rosa Ballek. Sie hörte den feinen Frageton Lorentzens sofort. Ein Seelchen in einem Turm aus Fleisch und Knochen. »Ich hatte Heimweh nach Heini.«
    »Ach so.«
    »Heini ist mein Kind von Tim.«
    »Freut mich«, sagte Lorentzen trocken.
    »Ist neun Jahre alt, der Lütje. Und da las ich Ihre Anzeige, Herr Doktor. Das muß man sich mal angucken, dachte ich mir. So'n Chirurg, der kann allerhand. Der kann vielleicht auch helfen, wo alle anderen nein sagen. Und nu bin ich hier. Können Sie helfen?«
    »Wo?«
    Verkleinern kann ich dich nicht, dachte Lorentzen amüsiert. Was an dir ist, das gehört da hin. Weniger wäre ins Handwerk Gottes gepfuscht.
    »Das war so.« Rosa Ballek legte die breiten Hände ineinander, als wolle sie gleich beten. »Da war Vekkö.«
    »Aha!« sagte Lorentzen.
    »Ein Finne. Steuermann. Ein Mannsbild, oje! Baumgroß. Stark wie 'n Ladekran. Von Vekkö habe ich Claus, das nebenbei.«
    Lorentzen nickte. Jawohl, das nebenbei. Das paßt zu Rosa Ballek. Auch Vekkö, der finnische Riese. Alles paßte. Aber was soll ein kosmetischer Chirurg dabei?
    »Vekkö sagte eines Tages zu mir: Deern, du mußt zeigen, daß du zur See gehörst wie Tang und Muscheln, Aal und Teer. Wenn ich dich von achtern sehe, wo du platt bist, will ich das Meer haben. Da muß die See rauschen. Tja, und da habe ich's getan. Und nun soll es weg. Wissen Sie, Doktor, der Fiedje, der jetzt mein Mann ist, der mag keine solchen Sachen. Der ist ganz anders. So vornehm. Es muß weg.«
    »Was?« fragte Lorentzen gespannt.
    »Das von achtem.«
    Rosa Ballek drehte sich um. Mit einem Ruck zog sie ihre Bluse hoch.
    Ein breiter Rücken. Ein Kreuz wie ein japanischer Matador der Matte.
    Aber über diesen Rücken, über Speckröllchen und Pickel hinweg, segelte mit windgeschwellten Segeln und wehenden Fähnchen eine flotte Viermastbark. Zweifarbig. In Blau und Rot. Ein stolzes Gemälde, umgeben von den windgepeitschten Wellen des Ozeans.
    »O Himmel!« sagte Lorentzen laut. »Wo haben Sie sich das tätowieren lassen?«
    »In Dover, Doktor. Der beste Mann, sagte man mir.«
    »Es ist ein Meisterwerk, wirklich.«
    »Und nun soll die Santa Anna untergehen.« Rosa Ballek schob die Bluse wieder über ihre Viermastbark. »Alle sagen, das ist unmöglich. Aber Sie können es, was?«
    Lorentzen sah den Turm von Frau an. Alles an ihr war gewaltig, – nur die Augen nicht. Die waren klein, blank und rund. Kinderaugen, in denen Betteln und Vertrauen standen. Augen, die nahe dem Weinen waren. Aus dem Mund polterten die Worte heraus, aber die Augen waren von einer ergreifenden Hilflosigkeit.
    »Das ist schwer, das ist sehr schwer, Rosa«, sagte Lorentzen. Er konnte nicht anders, er mußte den Turm Rosa nennen. Und er sah, wie dankbar sie es aufnahm. »Wir müssen die ganze Rückenpartie mit neuer Haut belegen. Das gibt eine Riesentransplantation. Und es bleibt mindestens eine große Narbe, so groß, wie die stolze Santa Anna einmal über Ihren Rücken segelte.«
    »Das ist egal.« Rosa Ballek stand auf. »An Narben stört sich Fiedje nicht. Der hat selbst genug am ganzen Körper. Wann fangen wir an?« Sie griff in die

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