Treibhaus der Träume
gemerkt … aber es war schlimm. Auch die Kinder haben es empfunden …«
»Die Kinder …« Ursulas Stimme schwamm in Tränen. »Wie geht es den Kindern, Ewald?«
»Blendend. Sie warten in St. Hubert auf ihre Mama.«
»Du hast sie mitgebracht?« Es war wie ein Aufschrei. Ursula sprang auf, es war ihr, als platze ihr Herz. »Sie sind hier?«
»Natürlich. Ich komme doch nicht allein.« Ewald Fohrbeck zog Ursula zurück in den Sessel. In seinen blauen, nervösen Augen leuchtete Liebe und Freude. »Es ist unfaßbar«, sagte er wieder. »An dir ist die Zeit spurlos vorbeigegangen.«
»Mach keine Komplimente, Ewald. Ich weiß, daß ich älter geworden bin.«
»Keine Spur! Vergleiche doch.« Er griff in den Rock, zog seine Brieftasche heraus und entnahm ihr ein Foto. Ein glückliches Brautpaar in einem blühenden Garten. »Das war vor dreizehn Jahren, Uschi. Und nun guck mal in den Spiegel.«
Ursula Fohrbeck sah nicht auf das Bild – sie starrte ihren Mann an. Ihre Lippen zuckten. »Du hast das Bild immer bei dir?«
»Ja.«
»Immer?«
»Seit dreizehn Jahren. Warum?«
»Nur so.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. Das Zimmer begann um sie herum zu kreisen. »Was … was ist sonst passiert? Hast … hast du viel zu tun?«
»Sehr viel.« Ewald streichelte Ursulas glattes Gesicht mit der zarten neuen Haut. Er begriff nicht, wie ein Mensch durch drei Wochen Erholung dreizehn Jahre wegwischen kann. »Und dann noch der Wechsel dazu …«
»Welcher Wechsel?«
»Meine Sekretärin ist weg. Du warst kaum drei Tage hier, da kommt ein Brief an. Sie bittet um fristlose Entlassung. Es blieb gar nichts anderes übrig, denn sie war bereits weg. Mit einem griechischen Ingenieur auf dem Wege nach Saloniki. Ich habe es bedauert. Sie war zwar ein flottes Luder, aber eine gute Kraft. Im Stenogramm perfekt, sogar im englischen Stenogramm.« Ewald lachte leise, als er an etwas denken mußte. »Weißt du, was sie einmal gesagt hat? Ich glaube, es war in Basel, nach einer Tagung. ›Ihre Frau, Herr Fohrbeck, ist eine so hübsche Frau, aber sie sollte die Haare anders tragen.‹ – Ich hatte ihr ein Bild von dir gezeigt, weißt du, das Bild damals von der Hannover-Messe, wo du die Haare ganz kurz hattest. ›Jetzt hat sie lange Haare‹, habe ich gesagt. ›Und sie sieht wie eine Madonna aus.‹ Schade, daß diese Karin so klanglos nach Griechenland abgehauen ist.«
»Du hast ihr mein Bild gezeigt?« fragte Ursula heiser.
»Natürlich! Ich verstecke dich doch nicht.«
»Karin war hübsch, nicht wahr?«
»Ein wenig auffällig. Wie eben junge Dinger heute sind. Lange Mähnen, grelle Farben. Aber da war ich in ihren Augen ein alter Knacker … wenn sie mitfuhr zu den Konferenzen, bestand ich darauf, daß sie sich vernünftig anzog. Ich kann doch nicht als Repräsentant einer Firma mit so einem Äffchen ankommen.«
Ursula atmete tief auf. Dann ergriff sie Ewalds Kopf, küßte ihn und sprang wieder auf. »Ewald!« rief sie. »Bitte, hau mir eine runter!«
»Was soll ich?« Ewald Fohrbeck starrte Ursula fassungslos an.
»Du sollst mir eine kleben! Ich habe es verdient. Ich habe mich monatelang wie eine Schwachsinnige benommen. Ich … ich …« Sie fiel Ewald um den Hals und umschlang ihn. »Laß uns zu den Kindern fahren«, schluchzte sie. »Komm … sofort … zu den Kindern … ich habe solche Sehnsucht nach euch allen!«
An diesem Abend kam Ursula Fohrbeck nicht zurück in die Schönheitsfarm, und auch die anderen Nächte blieb sie in St. Hubert, im Kur-Hotel. Tagsüber kam sie in die Schönheitsfarm, um ihren von Marianne streng gehandhabten ›Stundenplan‹ abzudienen: Massage, Atemübungen, Yoga, Gymnastik, Ozonbehandlung, Abwaschungen mit Franzbranntwein, Packungen mit Kakaobutter, Kräutern und dem geheimnisvollen, russischen grünen Brei, der nach Spinat roch. Sie machte ihre Kräuterbäder, bekam ihre Ganzeinreibungen mit Feuchtigkeitsemulsion, schlief ihre Liegekur ab und wurde von Tag zu Tag jünger. Ewald Fohrbeck hatte sich drei Wochen freigenommen. Während Ursula in der Farm unter Verschluß kam, wanderte er mit den Kindern durch die Täler und über die Bergwege, ruderte auf dem See von St. Hubert und spielte mit ihnen Minigolf. Er wurde braun und ruhiger, das nervöse Zucken in den Augenwinkeln ließ nach, sein Blick wurde klarer. Wann habe ich zum letztenmal Urlaub gemacht, dachte er, als er einmal auf einer Bank saß und weit ins Tal sah. Vor vier Jahren zum letztenmal. Und selbst den mußte ich nach zwei
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