Treibhaus der Träume
Wochen abbrechen. Direktor Fahnemann bekam die Grippe.
»Du hast ein Wunder an ihr vollbracht«, sagte Marianne eines Tages am Mittagstisch zu Dr. Lorentzen. »Ursula Fohrbeck ist ein völlig neuer Mensch.«
»Nicht ich.« Lorentzen hob beide Hände. »Auf deinen Spezialliegen ist sie anders geworden.«
»Quatsch!« Ilse Patz griff nach der Nachspeise. Quark, mit Apfelsinen gequirlt. »Die Liebe macht's. Redet euch doch nichts vor … Er ist gekommen, er hat Zeit, er nimmt sie in die Arme … das ist das verjüngendste Elixier aller Frauen. Ohne Liebe ist jedes Cremchen und Püderchen Quatsch.«
»Dann trinken wir also auf die Liebe!« rief Lorentzen und hob sein Glas Moselwein, das er jeden Mittag trank.
Marianne und Ilse stießen mit ihm an, aber sie sahen nicht Lorentzen an, sondern sich.
Und sie stellten mit Erschrecken fest, daß sie sich kalt und feindlich ansehen konnten.
Der geheimnisvolle Patient von Zimmer 22, den Adam Czschisczinski seit Tagen vergeblich anschlich, wurde eines Morgens in den OP gerollt. Wie nicht anders zu erwarten, war Dicki auf dem Posten. Er wienerte die Türklinken, obgleich sie von den Putzfrauen jeden Tag behandelt wurden. »Putzfrauen!« sagte Adam verächtlich. »Die wedeln den Staub nur von Ecke zu Ecke. Was wissen die von Stenilität!«
Aber auch heute sah Dicki nichts. Der Patient wurde auf einem fahrbaren Bett herangerollt. Der Kopf war mit dem weißen Laken zugedeckt. Es sah aus, als rolle man einen Toten weg in den Eiskeller. Schwester Frieda, die das Bett vor sich herschob, lächelte Dicki triumphierend an. Adam Czschisczinski verzog den Mund. Das muß ein ganz toller Fall sein, dachte er. Vielleicht ein bekannter Politiker? Oder ein großer Filmstar? Er sah dem Bett nach und beschloß, seinen Kampf um diesen Geheimnisvollen noch nicht aufzugeben, obwohl er das nach seiner Klettertour an der Hauswand eigentlich beschlossen hatte. »Und wenn ich durch den Kamin kriechen müßte, ich kriege heraus, wer das ist«, sagte Dicki leise, als das Rollbett an ihm vorbei war und im großen Lastenaufzug verschwand.
Im OP war alles für die erste Hauttransplantation vorbereitet. Die beiden Assistenzärzte und die OP-Schwestern waren vollzählig versammelt.
Der Mann, der sich Graf v. Rethberg nannte, war im Vorraum von seinem Bett gestiegen, das eigentlich nur als Tarnung diente, denn er war kräftig, erholt, und seine linke Gesichtshälfte, die unverletzte, zeigte eine gesunde Bräune. Groß, schlank, aristokratisch stand er da und sah durch die breite Glasscheibe in den Operationssaal. Die beiden Ärzte und die Schwestern irritierten ihn.
»Soviel Aufwand, Doktor?« fragte er, als Dr. Lorentzen eintrat, seinen Rock auszog und die Ärmel hochrollte. Eine Schwester stand bereit, ihm nach der Waschung den sterilen Mantel, die Handschuhe und den Mundschutz zu reichen. »Das sieht ja aus, als wollten Sie mir den ganzen Hohlraum ausräumen.«
Dr. Lorentzen lachte. Er wusch sich und blickte dabei zu dem ›Grafen‹ zurück. »Sie sind ein seltener Fall, Graf. Die jungen Kollegen wollen an Ihnen lernen.«
»Danke.« Graf Rethberg lächelte schwach. »Ich schicke Ihnen nach der Behandlung meine Rechnung als Modell.«
»Abgemacht. Und nun begeben Sie sich bitte in den OP, Graf. Wollen Sie Lokalanästhesie oder Vollnarkose?«
»Ach, man kann das bei Ihnen à la carte haben?«
»In diesem Fall, ja. Es kommt nur auf die Nerven an. Bei der einen Form hören Sie alles, bei der anderen schlafen Sie selig. Nicht jeder hört gern, wie er operiert wird. Es ist ein merkwürdiges Ding, alles mitzubekommen, ohne etwas zu spüren.«
»Geben Sie mir eins auf die Nase, Doktor.« Graf Rethberg zog das Kinn an. »Unsere Familie hat zwar viele Helden gestellt – aber ich nehme an, sie mußten Helden sein. Wo es sich umgehen läßt, sollte man es tun.«
Zehn Minuten später lag der Mann, der sich Graf nannte, auf dem Tisch. Die starken Scheinwerfer mit den Reflektoren beschienen seine rechte, von der Schwefelsaure zerstörte Gesichtshälfte. Er schlief in der Narkose und röchelte leise. Bis zum Hals war er abgedeckt; über die Haare hatte man ihm eine Art Käppi gezogen. Gnadenlos lag das Licht der Scheinwerfer in den Runzeln und Narben, grinste der Mund faunisch durch den starken Narbenzug. Dr. Lorentzen sah zu seiner I. OP-Schwester. Etwas beleidigt stand sie am Instrumententisch. Lorentzen hatte ein Rasiermesser und einen Friseur-Streichriemen verlangt. Adam Czschisczinski war frühmorgens
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