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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Und es wurde eine schöne Nase. Das Geheimnis: Man muß die tieferen Talgdrüsen stehenlassen. Von hier wird aufgebaut. Sie sehen, meine Herren, es ist nicht alles Geheimnis, was dazu gemacht wird.«
    Nach zwei Stunden war der ›Graf‹ so weit, daß er in seinem Zimmer aufstehen konnte. Er trat an den Spiegel und sah auf seinen verbundenen Kopf. Das einzige, was kühn aus den weißen Binden herausragte, war seine aristokratische Nase.
    Das Telefon klingelte. »Ja?« sagte der ›Graf‹ halblaut. Der Verband hinderte ihn am Sprechen, außerdem spürte er jetzt stechende Schmerzen auf der operierten Wange.
    »Ich bringe Ihnen eine Karaffe mit Orangensaft. Anordnung des Chefs!« Adam Czschisczinski. Der Mann, der sich Graf nannte, lächelte unter seinen Verbänden.
    »Stellen Sie es vor die Tür, Dicki«, sagte er höflich. »Schwester Frieda wird es hereinbringen. Sie sind ja rührend um mich besorgt.«
    Dicki legte schnaufend auf.
    Auf der Schönheitsfarm hatte sich ein ›Club‹ gegründet. Er tagte nach der Absolvierung von Marianne Steegerts ›Stundenplan‹ im Zimmer von Frau Nitze und war ein fröhlicher Kreis. Sogar Marion Stellmacher hatte man dazu eingeladen.
    An diesen Spätnachmittagen bis zum Abendessen oder auch an Abenden, wo man sich ausruhen wollte, saß man zusammen – auf dem Bett, auf Stühlen, am Boden auf Kissen. Es gab Kognak, Whisky oder Likör. Pralinenschachteln, in die Farm geschmuggelt, machten die Runde, Keksdosen wurden geleert, Schokolade zerschmolz zwischen rot geschminkten Lippen. Was man tagsüber an strenger Diät und Gymnastik über sich ergehen ließ, wurde an diesen Clubabenden mit ›sündigem Essen‹, wie es Marianne nannte, gefeiert. Am nächsten Tag stellte die Waage die Quittung aus, und Ilse Patz war so mitleidlos, diese Damen dann über die Wiese zu jagen oder im Gymnastikraum schwitzen zu lassen.
    Und trotzdem kam man bei Frau Nitze zusammen. Nicht allein wegen des ›sündigen Essens‹, sondern vor allem wegen der sündigen Erinnerungen.
    Frauen unter sich, wochenlang allein, tragen keine Maske mehr. Ihre Schicksale machen sie zu Schwestern. Das Leid der einen konnte auch das Leid der anderen sein. Das intime Erlebnis von Frau Nitze weckte Erinnerungen an Geheimnisse im Leben von Frau Offerbeck.
    Und so saßen auch jetzt neun Frauen bei Frau Nitze auf dem Zimmer, tranken Whisky aus Zahnputzgläsern und kicherten wie Backfische. Was hatte man nicht alles erlebt mit den Männern. Da war der Urlaub in Rimini. Rugiero hieß der Knabe. Schwarze Locken, enge Hosen, auf der haarigen Brust ein Goldkettchen mit einer Madonna. Welches Temperament. Im Hinterhof des Ristorante, zwischen leeren Chiantiflaschen, Obstkisten und Müllhaufen, riß er das Kleid vom Leib.
    »Er wollte einfach nicht warten«, sagte Frau Zimmerer. Sie kam aus Stuttgart. Ihr Mann war Millionär und stellte elektrische Artikel her. »Das ging drei Wochen lang so.«
    Kichern. Ein Schluck Whisky. Erinnerungen …
    Da war Frau Lohmaier. Aus Tübingen. Sie hatte ein gutgehendes Hemdengeschäft. Ihr Mann starb nach vier Jahren Ehe an einem Hirnschlag. Apoplex, sagte sie vornehm. Dann war sie vier Jahre treue Witwe, mit kleinen Abwechslungen, aber nichts Ernstes, versteht sich. Nun war sie zweiundvierzig Jahre alt, noch immer hübsch, etwas füllig, aber mit seidigem, kastanienbraunem Haar. Bei Kerzenlicht sah sie atemberaubend aus – sie war ein Nachttyp, wie sie sagte.
    Und dann geschah es: Ein Witwer, fünfzig Jahre, betrat den Laden und kaufte zwei Oberhemden. Kragenweite 44. Er war Bauunternehmer, besaß drei Kräne, eigene Lastwagen, Aufzüge und beschäftigte siebenundsechzig Mann. Außerhalb Tübingens hatte er eine Villa in einem Park. Er lud Frau Lohmaier ein zu einem kleinen Essen.
    Kerzenlicht. Leise Musik. Händchenhalten. Romantik. Ein Kuß.
    »Wir heiraten«, sagte der Bauunternehmer.
    Und Frau Lohmaier besichtigte die Villa im Grünen.
    Aber dann kam der Tag, an dem bei ihr eine Bombe einschlug. Von Heidelberg, wo er Germanistik studiert, kam der Sohn des Bauunternehmers zu Besuch. Groß, blond, zweiundzwanzig Jahre jung, ein süßer Junge mit Augen wie ein blauer See. Bei Frau Lohmaier schlugen die Wellen über die Deiche.
    »Was kann ich dafür«, sagte sie jetzt im ›Club‹. »Ich träume von ihm. Ich liebe ihn wahnsinnig. Wenn ich die Farm verlassen habe, will ich auch ohne Kerzenlicht aussehen wie eine Dreißigjährige. Natürlich heirate ich den Vater, aber der ist viel unterwegs, und

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