Treibhaus der Träume
mich nicht als wandelnden Geldsack an … so nüchtern bin ich gar nicht.« Der alte Steegert rauchte die Zigarre umständlich an. Sie mußte rundum gleichmäßig brennen. »Ich bin ganz privat hier. Ganz klein. Mäuschen mit Hut. Ich komme als besorgter Vater.«
Dr. Lorentzen atmete tief ein. Plötzlich lag ein schweres Gewicht auf seinem Herzen.
Marianne …
»Sie seufzen, Doktor?« Der alte Steegert schielte zu Lorentzen. »Sie ahnen etwas?«
»Ich kann mir einiges denken.«
»Das können Sie eben nicht. Wer kann das schon als Mann? Und ich als Vater denke grundsätzlich immer daneben. Marianne war vor drei Tagen bei mir. Ein Blitzbesuch. Und mit Donnern dazu. Sie warf sich auf die Couch und heulte los, als habe sie jemand in den Hintern gekniffen.« Der alte Steegert blies Kringel in die Luft und schaukelte hin und her. »Ich habe sie erst heulen lassen. Und dann habe ich ihr Ohrfeigen angedroht. Schließlich bin ich der Vater, und sie bleibt ein Balg, und wenn sie selbst Großmutter ist. Da war sie still und sagte: ›Ich liebe ihn, Paps!‹ – Ich habe nicht die Dummheit begangen und habe zurückgefragt: Wen? – Soviel muß man als Vater schon wissen. ›Und er?‹, habe ich dann gefragt, denn etwas muß man ja auf solch ein Geständnis sagen. Und da heult sie wieder los und schreit: ›Er betrügt mich mit Ilse!‹ – Auch das habe ich mir gedacht. Unsere Ilse. Ein Weib, im Vollmond gezeugt. Mir altem Bock kribbelt's selbst unterm Scheitel, wenn ich das Mädel manchmal sehe, in dem engen schwarzen Turntrikot. Ich nehm es Ihnen nicht übel, Doktor. Wenn Sie dafür keine Augen hätten, würde ich Sie als Anormalen verachten. Aber jetzt spricht ein besorgter Vater zu Ihnen, dessen Tochter bei ihm geheult hat und wie in alten Zeiten eine Rotznase bekam. Das Mädel ist total verrückt. Sie liebt Sie abgöttisch.« Der alte Steegert kaute an seiner Zigarre. »Ist das nicht komisch, daß ich alter Knochen hier herumschaukele und den Brautwerber spiele?«
»Ich liebe Marianne«, sagte Lorentzen klar und fest.
»Sie auch? Dann ist ja alles in der Butterpfanne! Mein Junge.« Er sprang auf, breitete die Arme aus, aber ließ sie sofort wieder sinken. »Ilse! Da ist Ilse. Was ist damit? So sehr ich männliche Ausflüge verstehe, bei der eigenen Tochter … Sie wissen … da ist es anders. Die will man glücklich sehen. Die soll einen braven Mann bekommen, so blöd und naturwidrig das auch ist. Was ist mit Ilse?«
»Nichts.«
»Nichts? Doktor, enttäuschen Sie mich nicht.«
»Sie ist eine gute Freundin.«
»So kann man's auch nennen. Gut Ding hat viele Namen.«
»Sie ist wirklich nur eine Freundin.« Lorentzen lächelte breit. »Auch wenn es Ihnen nicht in die Phantasie paßt: Ilse Patz ist meine Geschäftspartnerin, weiter nichts.«
»Aber Marianne sagt …«
»Es ist unbegründet.«
»Hand aufs Herz!«
»Hand drauf.«
Der alte Steegert setzte sich wieder in die Hollywood-Schaukel. »Ich bin beruhigt«, sagte er. »Für Marianne freut mich das. Sie aber sind ein fader Bursche, Doktor! In Ihrem Alter hätte Ilse bei mir ab Einbruch der Dunkelheit die Textilien geschont. Na ja, die heutige Jugend hat nur die große Klappe. Wir sprachen weniger, aber wir konnten noch die Hauswände raufkraxeln. Wer kann das heute noch?« Er sah Dr. Lorentzen groß an. »Was soll nun werden?«
»Darüber habe ich auch schon lange nachgedacht.«
»Geheiratet wird! Das ist doch klar! Oder soll diese Liebe nur so ein Verhältnis sein? Da lege ich als Vater mein Veto ein. Nicht mit meiner Tochter! Andererseits geht mir Marianne ein wie ein Tranlicht, wenn sie nicht ihren Lutz Lorentzen bekommt.« Der alte Steegert puffte Lorentzen in die Seite. »Mensch, Doktor, immer nur an Menschen herumschnippeln! Nehmen Sie doch Marianne mal in'n Arm! Ich guck als Vater weg. Ich weiß, Sie sind ein Ehrenmann.«
»Es sind da viele Probleme«, sagte Lorentzen nachdenklich. »Ich bin hierhergekommen als armer Schlucker. Ein akademischer Hausierer. Und die beiden Mädels und Sie, die Väter, haben dann diese wunderbare Klinik hingesetzt. Man könnte leicht denken, jetzt heiratet er seinen Chefarztposten und die Gebäude dazu.«
»Komplexe, wie?« Der alte Steegert tippte an seine Stirn. »Bei Ihnen singt wohl eine Meise? Jeder weiß, daß man Sie überfahren hat. Daß Sie nicht eine Sekunde an eigene Vorteile dachten. Und überhaupt, die Klinik! Was wäre sie ohne Sie? Ein Steinhaufen. Ein luxuriöser Vogellokus. Erst Ihr ärztliches Genie
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