Treibhaus der Träume
Lorentzen eine Adlernase in eine gerade Nase umgewandelt hatte. Er war Jurist. Landgerichtsdirektor. »Sie ständen unter ständiger Beobachtung. Und außerdem müßten Sie nach Verbüßung der Strafe den Schaden an die Bank auch noch zurückzahlen. Ihr ferneres Leben wäre also nur Arbeit und Arbeit …«
Der Fall beschäftigte alle bis zum Mittagessen. Da hörte man im Rundfunk die Nachrichten, und das Neue überdeckte den Bankräuber Bornemann und seine zwei Millionen.
Dr. Lorentzen, den ganzen Vormittag im OP, hörte überhaupt nichts von diesem Bornemann. Er machte dem jungen Dr. Thorlacht eine wunderbare, geradezu klassische Nase. Er modellierte wie ein begnadeter Künstler. Seinen ganzen Schönheitssinn legte er in diese Nase. Er kämpfte in dieser Stunde nicht gegen den Höcker – er kämpfte gegen Prof. Heberach. Und er siegte.
Aber ihm blieb, wie gesagt, deswegen verborgen, daß es einen Bankräuber Hans Bornemann gab, auf dessen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt war. Wie so oft spielte auch jetzt das Schicksal Blindekuh.
Dr. Thorlacht schrieb gleich am ersten Tag nach der Operation einen Brief an Prof. Heberach.
Mit bebenden Händen riß Heberach in Hamburg das Schreiben auf. »Endlich!« sagte er zu seinem I. Oberarzt. »Nachricht von Thorlacht.« Und dann las er die wenigen Zeilen.
Operation gelungen. Phantastisch operiert. Stimmung in der Klinik vorzüglich. Ein Paradies. Dr. Lorentzen ein Genie!
Knirschend vor Wut zerriß Heberach den Brief in kleine Fetzen und warf sie durch sein Arbeitszimmer.
»Ich habe einen Kretin nach St. Hubert geschickt!« schrie er mit seiner hellen Greisenstimme. »Jawohl, einen Kretin! Raus mit dem Nichtskönner! Sie entlassen ihn sofort! Fristlos! Wegen Unfähigkeit! Das schreiben Sie in sein Zeugnis … ich bestehe darauf! Unfähigkeit! Ein Kretin –!«
Mit starrem Gesicht verließ der I. Oberarzt das Zimmer des Professors. Auflehnung wäre Verzicht auf die Karriere, wäre beruflicher Selbstmord. Über Dr. Thorlacht war das Urteil gefällt. Ein armer Junge …
Wie ein grimmiger Zwerg hockte Heberach in seinem Sessel und dachte nach, als er allein war.
Ich fahre selbst hin, dachte er in seinem Haß. Ich werde durch die Klinik gehen und die Patienten aufscheuchen. Und er wird nicht den Mut haben, mich hinauszuwerfen. Ich lasse mich nicht hinauswerfen. Ich werde mich hinsetzen und brüllen. Jawohl, wie ein Säugling. Brüllen. Ich möchte den sehen, der die Hand gegen mich erhebt und mich mit Gewalt hinauszerrt. Mich, den Ordinarius der Chirurgie. Wer will mich anfassen und hinauswerfen?
Mit verzerrtem Gesicht blätterte er in seinem Terminkalender. Das Jahr war besetzt. Aber im Frühjahr war Raum.
Eine Galgenfrist, dachte Heberach düster.
Ich werde über ihn kommen wie ein Gewitter. Wie ein Erdbeben und eine Sturmflut.
Es wird seine Vernichtung sein!
An einem Sonntag kam der alte Steegert aus München zu Besuch. Aber er besuchte nicht seine Tochter Marianne, sondern fuhr zur Klinik. Bewundernd stand er draußen im Garten und sah die Fensterfront empor. Von den Balkonen leuchteten die Sonnenschirme. Über einer Brüstung sah er runde Schultern und die Ansätze schwellender Brüste. Darüber blendeten blondierte Haare in der Sonne. Die Baronin v. Durrhaus. Sie betrachtete den weißhaarigen, unbekannten Mann und fand ihn sehr attraktiv. Nur weil Dicki in der Nähe war und die Wege hakte, unterließ sie es, »Hallo! Warm heute, nicht wahr?« zu rufen und so ein Gespräch anzufangen.
»Das ist schön, daß Sie einmal kommen, Herr Steegert«, sagte Dr. Lorentzen. Er war in seinem kleinen Bungalow, der neben dem Schwesternhaus lag, und erholte sich bei einer Weinschorle und einem knalligen Kriminalroman. »Nur immer Wissenschaft ist schrecklich«, sagte er einmal. »Aber wenn Jim, der Einäugige, mit einem Messerwurf den Kapitän von der Brücke der Luxusjacht holt, dann kann man sich wohlig strecken und eine Zigarre dabei rauchen.«
»Ich hielt es für nötig, zu kommen, Doktor.« Der alte Steegert setzte sich in die Hollywood-Schaukel auf der Terrasse und zog seinen Rock aus. Dann trank er ein Glas Schorle und schnitt die Spitze seiner Zigarre ab. Lorentzen nickte.
»Sie wollen sehen, wo Ihre Millionen geblieben sind. Wir gehen nachher rüber ins Büro. Da liegen genaue Zahlen. Die Klinik ist voll belegt. Aber so eine Investition amortisiert sich natürlich nur langsam. Das kann ein Lebensprogramm werden.«
»Mein Geld. Alles Quatsch, Doktor. Sehen Sie
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