Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
Vom Netzwerk:
Geschichte dieses unvergleichliche Gefühl, Glück gehabt zu haben. «Ich kenne auch jemanden, der so ein T-Shirt hat», sagte er. Und er dachte an Tülin Schelzig und daran, wie sie sich vorige Woche nebeneinander umgezogen und ihre alten Sachen entsorgt hatten. Das T-Shirt, das er für ein Symptom eines Mittelalter-Fimmels gehalten hatte. Zwei Dinge also: Was hatte Carsten Lorsch an der Universität von Newcastle gemacht? Das konnte Finzi rausfinden, der Zeitpunkt des Besuchs war ja leicht zu bestimmen, und da gab es Sicherheitskameras und Zeugen und alles mögliche. Und das zweite, undurchschaubarer, aber für ihn vielversprechend, weil es dazu passte, wie sie ihm das eine oder andere Mal ausgewichen war: Was war Tülin Schelzigs Verbindung zu Newcastle?
    Er hob die Zeitungen auf und stopfte sie wieder in den Ordner, verstaute alles in der Tasche und die dann in der Tüte. «Zurück in den Schrank damit», sagte er zu Francis. «Genau, wie es war. Falls jemand nachschaut, ob sein kleiner Schwindel aufgeflogen ist.»
    «Und jetzt?», fragte Sonja.
    «Tja», sagte Danowski. «Erst mal danke. Und dann müsste ich mal telefonieren. Meine Handys sind leer. Und ich würde mich über eine Eskorte zurück zu meiner Kabine freuen.»
    «Ja, daran haben wir auch schon gedacht», sagte Sonja. «Sicherer, als wenn Sie und dann Maik hier alleine herumlaufen.»
    Francis lehnte sich mit seinem Stuhl zurück, bis er die Matratze der unteren Bettetage erreichte, unter der er eine Tüte mit sieben oder acht fertig gedrehten Joints hervorzog. Seufzend nahm er drei davon raus.
    «Das ist unser Grund, warum wir aufs Deck wollen», sagte er und hielt einen in die Luft, «und das ist der Preis, den wir dafür an die Posten zahlen.» Dabei hielt er die anderen beiden hoch.
    «Grenzt ja an Wucher», sagte Danowski, mit seinen Gedanken woanders. «Und mit dem Telefon?»
    «Wenn’s weiter nichts ist», sagte Sonja und lachte ein wenig wie jemand, der sich auf eine bevorstehende gelungene Überraschung freut. Sie stand auf und verließ die Kabine. Danowski sah sich fragend um.
    «Ladegeräte sind unser geringstes Problem», erklärte Francis. Und dann stand Sonja mit einer Umzugskiste voller Ladegeräte wieder in der Kabine, es waren Dutzende, wenn nicht Hunderte, ein auf engem Raum komprimiertes und völlig ineinander verheddertes Ladegeräte-Museum, etwa 1995 bis zur Gegenwart.
    «Was zum Teufel», staunte er.
    «Nichts wird bei der Ausschiffung so oft vergessen wie Ladegeräte», erklärte Sonja. «Jedes Kreuzfahrtschiff hat mindestens eine Kiste davon. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen.»
     
    Der Rest ging teilweise sehr schnell und teilweise sehr langsam. An den Posten waren sie diesmal gleich vorbei, denn die Stimmung war gut, nachdem sie die beiden Joints überreicht hatten. Dann löste sich langsam eine Spannung, und Danowski hätte nicht sagen können, wer zuerst die Idee hatte, jetzt tatsächlich zu viert aufs Oberdeck zu gehen und den Joint zu rauchen. Francis sagte was von perfekter Tarnung, Sonja was von sternklarer Nacht, Danowski erinnerte pro forma an Maik und daran, dass er irgendwo auf sie wartete, aber Katja setzte ihre Perücke wieder auf und sagte: «Maik does not like weed. And he’s probably asleep by now.»
    Dann standen sie zu viert an der Reling und rauchten und sahen in die wunderbar rosafarbene Lichtverschmutzung über dem Containerhafen und einen aufziehenden Nebel, der die Silhouette der Stadt auf der anderen Elbseite in eine Fata Morgana verwandelte.
    Treibland, dachte Danowski. Er spürte nichts als eine leichte Zufriedenheit und fast eine Vorfreude darauf, mit Tülin Schelzig über Newcastle zu reden, denn er wusste, dass er von ihr etwas erfahren würde, und zum ersten Mal schien ihm auch das Ende der Quarantäne nicht mehr unerreichbar.
    Dann schwiegen sie und dann redeten sie, er hörte zu oder sagte selber was, Katja hatte noch Zigaretten und phantastische Grübchen rechts und links vom Mund, und Danowski dachte, wie gut es war, endlich wieder zu rauchen, und dann standen sie da und sagten nichts mehr, bliesen den Rauch über den Fluss und lehnten sich ein wenig aneinander, vier farbige Afroperücken mit müden, aber seltsam friedlichen Menschen darunter.
    Er hatte keine Erinnerung an den Weg zurück in die Bar, aber dann fanden sie Maik nicht, und er merkte durch all die Unschärfe, dass die anderen beunruhigt waren und er ihnen nicht helfen konnte. Sonja blieb in der Bar, falls Maik dahin

Weitere Kostenlose Bücher