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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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auf dem Weg nach oben waren. Er erschrak, als er sich im graubraunen Anzug in der Spiegelwand neben dem Fahrstuhl sah. Und dann fiel ihm ein: fremder Anzug, fremde Taschen, darin bestimmt ein fremder Schlüssel. Er fand die Schlüsselkarte des Polizisten, prägte sich die Nummer ein und verschwand im Fahrstuhl, bevor seine Verfolger den Treppenabsatz erreicht hatten. Er drückte auf die 6 . Innenkabine, aber egal: Jetzt wusste er, wo er sich verstecken konnte.
    Ein banger Moment, als die Fahrstuhltür sich öffnete, aber: niemand zu sehen, sein Vorsprung noch intakt. Er wandte sich nach links, fand die Kabine des Polizisten, öffnete die Tür und glitt hinein. Ordentlicher, als er gedacht hatte; wahrscheinlich, weil der Bulle nichts hatte. Die Luft erträglich. Und sogar noch ein bisschen Wasser in der Plastikflasche. Maik streifte die Schuhe ab und warf sich rücklings aufs Bett. Den Passagieren mochten ihre Betten zu weich oder zu schmal sein, er fand sie besser als seins. Er streckte sich aus und hätte beinahe gekichert: Die hatte er ausgetrickst.
    Dann hörte er ein leises Piepsen und sah durch seine Füße hindurch verblüfft, wie die Kabinentür außerordentlich langsam von außen geöffnet wurde.

38 . Kapitel
    Nach dem Laptop-Debakel hatte Danowski nicht mehr viel Hoffnung, was den Aktenordner anging. Schwer genug war er, aber als er ihn umdrehte, fielen aus der offenen Seite nur zusammengefaltete alte Zeitungen.
    «Müll», sagte er. «Müll und Schrott.»
    «Jemand war an unserem Schrank.»
    «Echt, Sonja.»
    «Sieht so aus», sagte Danowski übellaunig. «Die ganze Fünf-Freunde-Nummer ist jedenfalls jetzt vorbei. Im trüben Lichte der allerjüngsten Entwicklungen betrachtet, wäre es doch besser gewesen, Sie wären früher zu mir gekommen. Bevor jemand den Laptop und die Unterlagen gegen vom Gewicht und Umfang her ähnliche, aber für mich nicht annähernd vergleichbar aufschlussreiche Ersatzmaterialien getauscht hat.»
    «Dreck», sagte Francis. «Und dafür der ganze Aufriss.»
    Danowski betrachtete den inzwischen leeren Aktenordner. Er hatte einen ungewöhnlichen Heftmechanismus, kein deutsches Markenprodukt. «Und können Sie mir noch irgendwas über den Inhalt sagen? Was war hier in diesem Ordner? Und haben Sie den Laptop jemals angemacht?»
    «Nein zum Laptop», sagte Sonja. «Und im Ordner waren … Geschäftsunterlagen. Briefe. Notizen. So was.»
    «Briefe an wen?»
    Während ihm niemand antwortete, wendete Danowski den nutzlosen Aktenordner in den Händen, weil er sonst nichts Besseres zu tun hatte. Dunkelblau, ein Kunststoff, der sich anfühlen sollte wie mattes Leder. Die Art von Aktenordner, in dem Informationsmaterial einer Firma oder einer Behörde überreicht wurde. Ein Aktenordner, den nur ein sparsamer Mensch weiter benutzen würde. Auf dem Rücken war unten eine Art Logo in den Kunststoff geprägt, etwa so groß wie eine Euro-Münze. Danowski beugte sich darüber.
    Ein geduckter roter Löwe über einem gedrungenen weißen Kreuz auf blauem Grund.
    «My dear Mister Singing Club», sagte er, halb versonnen beim Gedanken an eine alte Redewendung von Finzi, halb in Hommage an das Sprachengewirr hier an Bord, «jetzt hab ich doch noch was gefunden. Ich weiß nur noch nicht, was. Dieses Zeichen kenne ich.» Er hielt den Aktenordner hoch und zeigte darauf. «Wenn mir jetzt noch jemand sagen könnte, woher …»
    «I know it», sagte Katja. Ha, dachte Danowski. Stille Wasser. Immer gewusst. Und dann fing sie an, von der Universität zu erzählen. Newcastle University: Das hier war ihr Wappen.
    «Stimmt», sagte Sonja. «Wir fahren diese Route ja immer mal wieder. Newcastle ist ganz süß, da haben wir immer ein paar Stunden frei. Und die Uni soll gut sein. Das Wappen hab ich auch schon mal gesehen.»
    Katja erzählte in ihrem rauen Englisch, sie hätte sich dort an der Universität danach erkundigt, ob ihr Teile ihres slowenischen Medizinstudiums anerkannt würden, falls sie nach Großbritannien wechselte. Danowski starrte auf das Wappen.
    «Das ist aber nichts Besonderes», sagte Sonja, offenbar fürsorglich, damit er sich keine falschen Hoffnungen machte. «Viele Passagiere kaufen sich T-Shirts, auf denen das Wappen ist. Die gibt’s in der ganzen Stadt. Wahrscheinlich hat der Typ, dem die Tasche gehört hat, sich in Newcastle die Uni angeschaut. Oder er hatte da einen Termin oder so was. Der war doch Geschäftsmann.»
    Danowski grinste. Immer wieder, alle paar Jahre, durchfuhr ihn bei einer

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