Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
Vom Netzwerk:
hinsehen oder sich im Detail verlieren. Steht hier so.»
    Scheiße. Die Unterlagen im Türfach.
    «Termin für Adam Danowski. Neurologische Praxis Dr. Sowieso. Der Zettel liegt auch noch in der Mappe. Na, das war gestern. Passt ja alles. Vor allem das mit den verschleppten Arbeitsabläufen und so.» Und jetzt will er, dachte Danowski, dass ich ihn bitte, das für sich zu behalten.
    «Chefin weiß Bescheid?», fragte Behling.
    «Ich bin gesund.» Danowski hörte sich nicht so an.
    «Ich frage mich nur, was das für Informationen sind, die ein hypersensibles Kerlchen wie du angeblich mehr aufnimmt als ich. Warte ich noch drauf. Seit Jahren. Sag ich nur mal so.»
    «Zum Beispiel die Information», sagte Danowski und ärgerte sich, dass seine Stimme nicht so fest war, wie er sich gewünscht hätte, «dass du ein Arschloch bist.» Dann drückte er «Beenden» und quetschte das Telefon wütend in der Hand.
    «Behling, wa?», sagte Finzi in liebevoll schlechtem Berlinerisch. Danowski nickte.
    «Und was wollte der?»
    «Irgendwas wegen dem Wagen gestern.»

16 . Kapitel
    Die Jarrestadt in Winterhude war ein ganzes Wohngebiet aus Rotklinker und Thermofenstern. Davor das Hellgrün der Linden wie eine um Versöhnlichkeit bemühte Tante auf einer angespannten Familienfeier. Am Klingelschild sahen sie, dass die Wohnung von Simone Bender im Erdgeschoss lag. Sie klingelten und fragten sich, ob der Siebzehnjährige schon aus der Schule zurück war. Luis, dachte Danowski, das war damals ein seltener Vorname.
    Der Summer ertönte, dann stand nur eine Treppe höher ein großer Junge gebückt im Türrahmen, grünes T-Shirt mit einem Toastbrot darauf, tief sitzende Röhre, langer dunkelblonder Pony bis in die Augen. Sobald er die beiden Erwachsenen sah, nahm er eine abwehrende Haltung ein. Sie stellten sich vor. Luis Bender? Ja. Polizei?
    «Ist was mit meiner Mutter?» Etwas daran, wie er «Mutter» sagte, ließ Danowski ahnen, dass die beiden kein schlechtes Verhältnis hatten.
    «Sie wissen, wo Ihre Mutter ist?» Finzis Gegenfrage.
    «Auf diesem Schiff.» Stockend, als hätte er ein «dämlichen» oder «verdammten» verschluckt. «Ist sie krank geworden?»
    «Nein», sagte Danowski. «Wir haben keine Informationen über neue Erkrankungen an Bord.» Es klang längst nicht so tröstlich, wie er sich gern vorgestellt hätte.
    «Aber?»
    «Sie wissen, dass es einen Toten an Bord gegeben hat?»
    «Hab ich gehört, ja.»
    «Ihre Mutter hatte … Kontakt zu dieser Person.» Das klang langsam richtig schlimm, fand Danowski, wobei ihm zum ersten Mal in voller Deutlichkeit klarwurde, in wie großer Gefahr Simone Bender schwebte. Er musste die Frau vom Tropeninstitut oder vielleicht die Ehlers aus der Rechtsmedizin fragen, ob es so was wie eine Impfung gab gegen das Virus; irgendwas, womit man jemanden wie Simone Bender davor schützen konnte, dass die Krankheit bei ihr ausbrach, falls sie sich angesteckt haben sollte. Oder bei ihm.
    «Können wir reinkommen?», fragte Finzi. Luis Bender zuckte die Achseln und machte ihnen Platz. In der Wohnung roch es nach frischgewaschener Wäsche, die im Wohnzimmer auf einem Ständer hing, Persil, und nach kaltem Kiffen. Vollgerummelt, Ikea aus verschiedenen Jahrzehnten, aber nicht unordentlich über die Tatsache hinaus, dass hier ein Teenager fast eine Woche allein gehaust und die eine oder andere Problemzone aus den Augen verloren hatte. Im Grunde wie bei uns, dachte Danowski.
    Auf dem Küchentisch stand ein Teller mit dampfender Spargelsuppe, daneben eine halbleere Flasche Fanta und eine offene Packung Toastbrot und eine Scheibe davon, die Luis vorsichtig auf den Tellerrand gelegt hatte, als es an der Tür klingelte. Danowski schluckte. Die Suppe rührte ihn. Er suchte, sah aber keine aufgerissene Knorr-Tüte.
    «Meine Mutter hat vorgekocht», sagte Luis Bender. «Bisschen ist noch da.»
    Danowski winkte dankend ab.
    «Nein, ich meine: für ein paar Tage habe ich noch. Aber ich hab gehört, die Quarantäne dauert zwei Wochen.»
    «Ja, sieht so aus.»
    «Kriegt man da irgendwie Unterstützung oder so? Ich meine, meine Mutter hat mir nur Geld für die Zeit der Kreuzfahrt hiergelassen. Und Essen und so weiter. Kann man da was beantragen?»
    Danowski und Finzi sahen einander ratlos an. Nein. Luis nickte.
    «Was ist denn mit Oma oder Opa?», fragte Danowski, um einen etwas weniger offiziellen Tonfall bemüht.
    «Wird schwierig.»
    Der Junge setzte sich und aß. Danowski schaute aus dem Fenster. Wieder die

Weitere Kostenlose Bücher