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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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am Leben wären, wenn ich Pascha den Gefallen getan und das Gebet gesprochen hätte.«
    »Hat Sie jemand beobachtet?«, fragte Arkadi.
    »Wer hätte mich denn beobachten sollen?«
    »Die Kamera hat Sie beobachtet.«
    »Glauben Sie, das hätte was geändert?«, fragte Bobby.
    »Ich weiß nicht.«
    Aus Mitleid legte Arkadi eine andere Kassette ein und ging mit Jakow auf den Flur.
    »Clever«, meinte Jakow. Das Auge unter der zerquetschten Braue glänzte im Mondlicht.
    »Nicht unbedingt. Ich glaube, Bobby wollte uns das schon die ganze Zeit sagen, seit er hier ist. Wahrscheinlich ist er nur deshalb gekommen.«
    »Können Sie uns jetzt, wo er’s getan hat, hier herausbringen?«
    »Ich kenne da einen Mann.«
    »Vertrauenswürdig?«
    Arkadi überlegte, was Bela für einen Charakter hatte. »Zuverlässig, aber gierig. Wie viel Geld haben Sie?«
    »So viel er will, wenn wir nach Kiew kommen. Dabei haben wir im Moment vielleicht hundertfünfzig Dollar.«
    »Das ist nicht viel.«
    »Mehr besitzen wir nicht.«
    Nicht genug, dachte Arkadi. »Dann muss es eben reichen. Bobby soll sich möglichst ruhig verhalten und die Schuhe ausziehen. Und lassen Sie den Fernseher an. Solange die Hausmeisterin glaubt, dass er hier ist, geht sie nicht hinein.«
    »Kennen Sie Oschogin?«
    »Flüchtig. Er wird zuerst Ihren Wagen und das Haus observieren, bevor er zuschlägt. Er ist mehr Spion als Soldat. Operiert gern allein. Bringt allenfalls zwei oder drei Männer mit. Martschenko soll für ihn nur die Kontrollpunkte geschlossen halten, mehr will er von ihm nicht. Wenn Sie losfahren, folge ich Ihnen.«
    »Nein, auch ich operiere allein.«
    »Sie kennen Oberst Oschogin nicht.«
    »Ich habe hundert Oschogins gekannt.« Jakow holte tief Luft. Draußen schälten sich bereits die größeren Bäume aus dem Dunkel. Die ersten Vögel zwitscherten. »Was für ein Tag. Für Rabbi Nahum war niemand rettungslos verloren. Er sagte, die Erlösung habe es schon vor der eigentlichen Erschaffung der Welt gegeben. So wichtig sei Erlösung. Niemand könne sie abschaffen.«
     
    Arkadi ging in sein Zimmer und packte, und wenn auch nur, um den Anschein zu erwecken, dass er wie befohlen abzureisen gedachte. Sein Leben - Ermittlungsnotizen und Kleidung - passte in einen kleinen Koffer und einen Matchsack, in dem noch Platz blieb. Jeden Tag gingen zwei Flüge nach Moskau. Er hatte die Wahl. Er konnte den Camo ausziehen, Koffer und Matchsack hinten auf das Motorrad schnallen und wie jeder andere Büroangestellte aussehen, der morgens zur Arbeit in die Stadt fuhr. Wenn er sich beeilte, konnte er noch eine Maschine kriegen und bis Mittag im Büro des Staatsanwalts sein. Wo würde ihn Surin als Nächstes hinschicken? Gab es im Hohen Norden eine Planstelle für einen Chefinspektor? Die Menschen am Polarkreis galten als lebenslustig. Er könnte etwas Spaß gut gebrauchen.
    Oben auf seinen Akten bemerkte er das Bewerbungsformular von NoviRus. Es überraschte ihn, dass er es noch hatte. Er ging die Möglichkeiten durch. Banker? Börsenmakler? Leibwächter mit Kampfausbildung? Es war seinem Selbstvertrauen nicht gerade förderlich, dass er keine einzige Qualifikation besaß, die gefragt war. Von seinen kommunikativen Fähigkeiten ganz zu schweigen. Er wünschte, er könnte die Uhr zurückdrehen, noch einmal in der Nacht bei Surins Anruf anfangen und Eva erklären, was er vorhatte. Dass er nicht fortgehen wollte, sondern nur die Absicht hatte, einem Kriminellen zur Flucht aus der Zone zu verhelfen. War das besser?
    Bela war bereits auf den Beinen, trank Kaffee und sah CNN, als Arkadi im Morgengrauen bei ihm eintraf.
    »Ich höre immer gern, wie in Thailand das Wetter ist. Ich stelle mir vor, wie ich dem leisen Regen lausche und mir Thai-Mädchen über den Rücken laufen und mich mit ihren kleinen Zehen kneten.«
    »Keine russischen Mädchen in Stiefeln?«
    »Das ist ein ganz anderes Bild. Nicht unbedingt ein schlechtes. Ich maße mir über niemanden ein Urteil an. Ehrlich gesagt, habe ich diese sowjetischen Standbilder von Frauen mit dicken Bizeps und kleinen Titten immer gemocht.«
    »Sie sind schon zu lange hier, Bela.«
    »Ich nehme mir regelmäßig frei. Ich geh zum Arzt. Drehe jeden Tag meine Runde über den Platz. Das sind immerhin zehn Kilometer.«
    »Dann mal los«, sagte Arkadi.
    Die Größe des Platzes ließ sich am besten zu Fuß ermessen. Als die Sonne am Horizont aufging, verwandelten sich die finsteren Schluchten in die ordentlichen Gassen einer Nekropolis. Die

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